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Bewegungswissenschaft

Bewegungswissenschaft

Titel: Bewegungswissenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wollny
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Anlage- und Umweltbedingungen auf die evaluierte Verhaltensweise gezogen werden. Theoretisch kann erwartet werden, dass die Leistungsdifferenz von zusammen aufwachsenden, monozygoten Zwillingen geringer ausfällt als diejenige von getrennt aufwachsenden, monozygoten oder von zusammen aufwachsenden, dizygoten Zwillingen. Empirische Entsprechungen finden sich in den Ergebnissen der Populationsgenetik zum Ausprägungsgrad der Intelligenz (S CARR , 1993, zitiert nach M ONTADA , 2002, S. 27):
Monozygote gemeinsam versus getrennt aufwachsende Zwillinge:
r = .86 vs. r = .75,
dizygote gemeinsam versus getrennt aufwachsende Zwillinge:
r = .39 vs. r = .35,
gemeinsam versus getrennt aufwachsende Geschwister:
r = .54 vs. r = .47 und
gemeinsam aufwachsende, nicht verwandte Kinder: r = -.02.
    Für andere Persönlichkeitsbereiche wie die soziale Aufgeschlossenheit, die Verantwortungsbereitschaft, die Selbstbehauptung oder die Aggressivität bestehen deutlich niedrigere Korrelationen (z. B. monozygote gemeinsam versus getrennt aufwachsende Zwillinge: r = .50 bis r = .60; K LEBER , 1978, S. 57).
    Sportbezogene Fragestellungen der Zwillings- und Eltern-Kind-Ähnlichkeiten-Forschung zentrieren sich auf interindividuelle Differenzen in den konditionellen und den informationellen Fähigkeitsbereichen. Die Befunde belegen einerseits Korrelationskoeffizienten von beachtlicher Höhe mit der Erblichkeitsrate; andererseits zeigt sich eine große Streubreite der Resultate (Arm-, Hand-, Rumpfkraft: r = .43 bis r = .74; Gleichgewichtsfähigkeit beim Schwebestehen: r = .27 bis r = .86; Reaktionsfähigkeit: r = .22 bis r = .86; S INGER , 1994, S. 66–67).
    Insgesamt erwecken die Ergebnisse den Eindruck, dass in letzter Konsequenz die Genetik die motorische Leistungsfähigkeit bestimmt. Der gegenwärtige Forschungsstand weist jedoch darauf hin, dass Anlagekomponenten vielfältige Interaktionen mit den vorherrschenden Umweltbedingungen eingehen. Diese beeinflussen das Ausprägungsniveau der sportlichen Leistungen im späten Schulkindalter und in der Adoleszenz.
    Wachstum und Reifung
    Eng an das kalendarische Alter und die Genetik gekoppelt sind bekanntermaßen Wachstums- und Reifungsprozesse, die bei allen Menschen in Abhängigkeit von den speziellen Umweltfaktoren zu bestimmten Entwicklungszeitpunkten in weit gehend vergleichbarer Form und identischer, nicht umkehrbarer Abfolge auftreten. M ILNE und H RKAL (1979) belegen, dass die Ausformung der Wurftechnik bei Kleinkindern trotz umfangreicher Lehrinterventionen grundsätzlich über einzelne, nicht zu „überspringende“ Zwischenstadien verläuft.
    Der Begriff Wachstum kennzeichnet quantitative, zählbare und messbare Entwicklungsaspekte, wie die mengenmäßige Zunahme von Wissen, Gedächtnisinhalten und Fertigkeiten. Die Reifung stellt eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die Ontogenese dar. Unmittelbar mit Reifungsvorgängen verbunden ist die erhöhte Bereitschaft des Individuums, auf Umweltstimulationen und sportliche Lern- und Trainingsinterventionen zu reagieren. Die Analysen des Einflusses von Wachstums- und Reifungsvorgängen auf die motorische Entwicklung umfassen vornehmlich konstitutionelle Merkmale wie das biologische Alter, bestimmte Körperbaumerkmale oder die Skelettreife. Inwieweit spezielle Entwicklungsprozesse auf Reifungsprogrammen oder auf exogenen Einflüssen basieren, können Entwicklungsstudien bislang nicht zuverlässig abgrenzen.
    Geschlecht
    Geschlechtsspezifische Differenzen bestehen für eine Vielzahl personaler Faktoren: die kognitiven Fähigkeiten (verschiedene Intelligenzformen, verbale und mathematische Fähigkeiten, räumliche Vorstellungsfähigkeit usw.), die Persönlichkeitsmerkmale (Aggression, Werte, Ziele, Leistungsorientierung usw.), den Körperbau, die motorischen Basisfähigkeiten, die Alltagsmotorik oder die sportmotorischen Fertigkeiten. Geschlechtsspezifika in der motorischen Fertigkeitsentwicklung scheinen für das Säuglingsalter bis Schulkindalter zwar wenig relevant zu sein, ab der Pubeszenz kommt es aber zu geschlechtsspezifischen Auffälligkeiten ( vgl. Lektion 8 ). Bei Frauen zeigt sich die Geschlechtstypik in Form menstruationsbedingter Veränderungen. Diese können, zeitlich befristet, limitierend auf die kognitive und motorische Leistungsfähigkeit einwirken. Empirische Untersuchungen geschlechtsspezifischer Unterschiede grenzen genetische Faktoren und Umwelteinflüsse selten eindeutig voneinander ab.
    Psychische und

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