Bewegungswissenschaft
Programminhalte in bioelektrische Aktionspotenziale über die efferenten Nervenbahnen an die motorischen Einheiten der Arbeitsmuskulatur gesendet. Während der Ausführung schneller Bewegungen kann der Mensch die ständig zur Verfügung stehenden (Re-)Afferenzen auf Grund der zeitintensiven zentralnervösen Auswertungsprozesse nicht berücksichtigen. Als weitere Nachteile der Open-Loop-Bewegungskontrolle gelten, dass mögliche Planungsfehler oder unvorhersehbare Störungen nicht während der Bewegungsrealisation kompensiert werden können und dass die Inhalte und die Organisation motorischer Programme ungeklärt bleiben.
Der zweite bedeutsame neuronale Mechanismus der Open-Loop-Bewegungskontrolle, die angeborenen motorischen Reflexe (motorische Reflexbögen), stellen gleich bleibende (stereotype), beliebig wiederholbare Reaktionen des Nervensystems auf bestimmte sensorische Umweltreize dar. Die Reizantworten bestehen aus unbewussten automatischen Bewegungen (Husten-, Kniesehnen-, Lidschlussreflex usw.). Die motorischen Reflexe zählen zu den Grundbausteinen der Kontrolle der Körperhaltung, der Fixierung der Gelenkstellung, der muskulären Aktivitätsbereitschaft und des Schutzes vor organismischen Überbelastungen, ohne hierfür zeitaufwändige zentralnervöse Informationsverarbeitungsprozesse zu benötigen. Darüber hinaus werden die motorischen Reflexe in die Koordination komplexer Bewegungsabläufe einbezogen. Beim Niedersprung wird die Wadenmuskulatur gedehnt und hierdurch reflektorisch kontrahiert, um das Körpergewicht abzufangen und den Sportler vor Verletzungen zu schützen.
Die unterschiedlichen motorischen Reflexe kategorisiert die Biologie nach der Anzahl der miteinander vernetzten neurophysiologischen Strukturen: mono- und polysynaptische Reflexe . Die einfachste neuronale Vernetzung, der monosynaptische Reflex , besteht aus einer einzelnen synaptischen Verschaltung eines afferenten und efferenten Neurons ( vgl. Abb. 16 ). Die Erregbarkeit monosynaptischer Reflexe wird bekanntermaßen durch einen leichten Schlag mit dem Reflexhammer auf die Patellarsehne des M. quadriceps femoris unterhalb der Kniescheibe (Patella) überprüft ( Patellarsehnenreflex ). Der phasisch gedehnte Muskel reagiert auf den Schlag mit einer kurzen reflektorischen Kontraktion des M. quadriceps femoris (Strecker des Kniegelenks).
Im Sitzen kann bei übergeschlagenem Bein der Patellarsehnenreflex unmittelbar am Vorschnellen des Unterschenkels beobachtet werden. Eine vergleichbare Reaktion löst der Schlag des Reflexhammers auf die Achillessehne aus, der zu einer Streckung im Fußgelenk führt ( Achillessehnenreflex ).
Die neuroanatomische Grundlage des Patellar- und Achillessehnenreflexes bildet der aus fünf Teilelementen bestehende monosynaptische Reflexbogen (syn. Eigenreflex, Dehnungsreflex, spinaler Reflexbogen): dehnungsempfindlicher Rezeptor (Muskelspindel), afferente Nervenbahn (Ia-Afferenz), Synapse im Vorderhorn des Rückenmarks (Reflexzentrum), efferente Nervenbahn (α-Motoneuron) und Effektor (Skelettmuskel; vgl. Abb. 16 ). Der monosynaptische Reflexbogen ist durch die feste Abfolge von Reizaufnahme (Rezeptor), Erregungsleitung (afferente Nervenbahn) und Reizreaktion (Effektor) gekennzeichnet. Bei einer plötzlichen Muskeldehnung (z. B. Schlag auf die Patellarsehne) dehnen sich die intrafusalen Fasern der Muskelspindeln. Hierdurch gelangt eine größere Anzahl von Erregungen über die schnell leitende afferente Ia-Nervenfaser (80-120 m/s) durch das Hinterhorn des Rückenmarks zum Reflexzentrum in der Vorderhornzelle. Dort bildet eine einzelne Synapse (monosynaptisch) den Übergang zur efferenten Nervenbahn (α-Motoneuron). Sein Neurit leitet die bioelektrischen Aktionspotenziale zur motorischen Einheit, die eine Einzelzuckung des Skelettmuskels auslöst. Einen derart einfachen Reflexbogen bezeichnet die Neuroanatomie als einen monosynaptischen Eigenreflex , da der Rezeptor (Muskelspindel) und der Effektor (Skelettmuskel) eine räumliche Einheit bilden.
Abb. 16: Schematische Darstellung des monosynaptischen Reflexbogens. Der Übersichtlichkeit halber ist nur ein Neuron jedes Typs abgebildet (mod. nach T HEWS ET AL ., 1999, S. 619).
Zu den auffälligen Kennzeichen des monosynaptischen Eigenreflexes zählen die kurze Reflexzeit, d. h. die Zeit vom Beginn der Reizung bis zum Auftreten der motorischen Reaktion (30-60 ms), der spezialisierte Rezeptor (Muskelspindel), die Einzelzuckung des Muskels, die Unabhängigkeit von
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