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Bewegungswissenschaft

Bewegungswissenschaft

Titel: Bewegungswissenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wollny
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der Stärke des Auslösereizes, die geringe Ermüdbarkeit, die Unbewusstheit und die fehlende Adaptationsfähigkeit.
    Neben dem muskulären Dehnungsreiz lösen auch andersartige sensorische Reize reflektorische Vorgänge aus. Beim Berühren heißer Gegenstände reagiert der menschliche Organismus durch die Reizung der Schmerz- und Wärmerezeptoren in der Haut mit einer schnellen Beugung im Schulter- und Ellbogengelenk, um die Körperextremität vom Reizort zu entfernen. Diese stereotype motorische Reaktion wird als polysynaptischer Beugereflex bezeichnet ( vgl. Abb. 17 ). Hierbei schaltet die hintere Wurzel des Rückenmarks die afferenten Nervenbahnen zunächst auf ein Zwischenneuron (syn. Interneuron) um. Dieses Neuron verbindet nicht nur die afferente und efferente Nervenbahn eines Segments, sondern es verfügt auch über synaptische Umschaltungen (polysynaptisch) auf die α-Motoneurone benachbarter Segmente (z. B. Beugemuskulatur). Reflexvorgänge, bei denen der Rezeptor (Haut) und der Effektor (Muskel) in verschiedenen Organen liegen, zählen zu den Fremdreflexen . Im Gegensatz zum Eigenreflex löst der polysynaptische Fremdreflex komplexe koordinierte Muskelkontraktionen aus.

    Abb. 17: Schematische Darstellung des polysynaptischen Fremdreflexes. Der Übersichtlichkeit halber ist nur ein Neuron jedes Typs abgebildet (mod. nach T HEWS ET AL ., 1999, S. 624).
    Der längere nervale Leitungsweg und die mehrmaligen synaptischen Umschaltungen bedingen beim polysynaptischen Fremdreflex eine längere Reflexzeit als beim Eigenreflex (Plantarreflex: 40-80 ms; Lidschlussreflex: 70-180 ms). Zu den weiteren Charakteristika des polysynaptischen Fremdreflexes zählen die Verkürzung der Reflexzeit mit zunehmender Reizintensität, die starke Ermüdbarkeit und die ausgeprägteAdaptationsfähigkeit (z. B. Nasen- und Ohrenirritationen durch eine neue Brille). Bei unterschwelligen Reizen, die für sich allein keine reflexartige Reaktion auslösen, kommt es vielfach zu einer Reizsummation. Ein Beispiel ist das unterschwellige Jucken in der Nasenschleimhaut, das sich über die Zeit zu einem überschwelligen Niesreiz aufsummiert.
    Der dritte wichtige neuronale Mechanismus der Bewegungssteuerung, der motorische Automatismus (automatische Bewegungen: Gehen, Laufen, Kauen usw.), stellt eine stereotype, ohne gerichtete Aufmerksamkeit ausgeführte, rhythmische Bewegung mit geringer kinematischer Variabilität dar. Die Kontrolle der motorischen Automatismen erfolgt über im Rückenmark oder Hirnstamm lokalisierte Rhythmusgeneratoren. Im Unterschied zu motorischen Reflexen können motorische Automatismen unter Beibehaltung der relativen Bewegungsstruktur mit unterschiedlichen Bewegungsamplituden und Bewegungsgeschwindigkeiten ausgeführt werden (K ONCZAK , 2003).
3 Was charakterisiert die Open-Loop-Kontrolle?
    Bei der Open-Loop-Kontrolle muss bekannt sein, „welcher Wert der Kontrollgröße dem gewünschten Wert der interessierenden Ausgangsvariable entspricht“ (C RUSE , 1981, S. 57). Als ein anschauliches Beispiel steht der Zusammenhang zwischen der Geschwindigkeit eines Motorrollers und der Stellung des Gashebels. Stellt der Fahrer des Motorrollers die entsprechende Kontrollgröße am Gasgriff ein, ergibt sich im Prinzip die richtige Fahrgeschwindigkeit. Beeinflussen nicht vorhersehbare Störungen den fahrenden Motorroller (plötzlicher Gegenwind, starke Steigung der Straße usw.), kann das Open-Loop-System „Motorroller“ die Wirkung der Störung – reduzierte Geschwindigkeit – nicht eigenständig kompensieren, da entsprechende Feedback- und Fehlerkorrekturmechanismen fehlen (z. B. Tempomat). Die Elemente und die Funktionsprozesse eines kybernetischen Open-Loop-Kontrollsystems ( vgl. Abb. 18 ) verdeutlicht die Verkehrslenkung durch eine Lichtzeichenanlage.
    Technische Open-Loop-Systeme basieren auf zwei eigenständigen Komponenten: der entscheidenden Exekutive und dem ausführenden Effektor. Bei der Verkehrslenkung durch eine Lichtzeichenanlage (Effektor) steuert ein vorab festgelegtes, starres Ablaufprogramm (Exekutive) die zeitliche Dauer der Rot- und Grünphasen der sich kreuzenden Verkehrsstraßen. Kommt es für eine der Straßen durch ein hohes, nicht vorhersehbares Verkehrsaufkommen zu einer Störung des Verkehrsflusses, kann die Lichtzeichenanlage keine situationsangemessene Modifikation der zeitlichen Dauer der Rotund Grünphasen der einzelnen Straßen einleiten, da Open-Loop-Systemen spezielle Feedback- und

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