Bewegungswissenschaft
werden. Als methodische Lehrverfahren eignen sich das in der frühkindlichen sozialen Erziehung bewährte Shaping , das Chaining oder die gezielte Darbietung von Modellverhalten . Für die Vermittlung sporttypischer Bewegungstechniken (Dreifachsalto im Wasserspringen, Wasserstart im Windsurfen, Kippe am Hochreck usw.)können diese drei Lehrmethoden nicht angewendet werden. Hier empfehlen sich die in Lektion 7 thematisierten methodischen Vereinfachungsstrategien und Vermittlungshilfen.
Shaping
Bei der von S KINNER entwickelten Lehrmethode des Shapings handelt es sich um die schrittweise Hinführung zu einer neuen Bewegungsfertigkeit, „bei der aufeinander folgende Annäherungen differentiell verstärkt werden“ (L EFRANÇOIS , 1994, S. 41). Anstatt wie bei der instrumentellen Konditionierung zu warten, bis das Kind die Gesamtbewegung zufällig zeigt, verstärkt der Sportlehrer beim Shaping zu Beginn des Lernprozesses diejenigen Teilaspekte spontan gezeigter Verhaltensweisen, die der Zielbewegung näherungsweise entsprechen. Im weiteren Lernverlauf werden nur noch der Kriteriumsbewegung ähnliche Verhaltensweisen berücksichtigt. Am Ende des Lernprozesses muss das Kind die verschiedenen Einzelteile entweder zusammenfügen oder das Zielverhalten in einer bestimmten Art und Weise zeigen, um weitere Belohnungen zu erhalten. Tabelle 6 beschreibt die Vermittlung der elementaren Bewegungstechnik „Wegschlagen eines Gymnastikballs“ durch die Lehrmethode des Shapings.
Tab. 6: Vermittlung der elementaren motorischen Fertigkeit „Wegschlagen eines Gymnastikballs“ durch die Lehrmethode des Shapings (S IMONS & K RAUSE , 1977, zitiert in R OTH , 1983, S. 178)
„Der Lehrer wartet, bis der Schüler spontan einen Abschnitt der zu erlernenden Fertigkeit produziert bzw. ein Verhalten zeigt, das ungefähr in die gewünschte Richtung zielt. Beim Wegschlagen könnte dies etwa das Hochwerfen des Balls sein oder eine Bewegung, die dem Unterarmwurf ähnlich ist. Sobald der Lehrer eine solche Annäherung an das Endverhalten erkennt, verstärkt er die entsprechenden Aktionen des Schülers. Bei jeder richtigen Wiederholung lobt er das Kind (kontinuierliche Verstärkung), bis dieser Fertigkeitsabschnitt unter Kontrolle gebracht worden ist. Hat er das erreicht, dann entzieht der Lehrer die Bekräftigung. Der Schüler wird in dieser Löschungsphase das vorher belohnte Bewegungsteil noch einige Male wiederholen und schließlich dazu übergehen, seine Reaktionen abzuwandeln. Von den dabei gezeigten verschiedenartigen Aktivitäten verstärkt der Lehrer nun diejenige, die wenigstens ein Element mehr des angestrebten Endverhaltens beinhaltet, diesem also schon ähnlicher ist [...]. Auf die auch jetzt wieder mehrfach wiederholte Bekräftigung folgt erneut eine Löschungsphase, das Warten auf Bewegungen, die dem Ziel noch näher kommen, eine erneute Bekräftigung usw., bis schließlich die gewünschte Technik des Ball-Wegschlagens ausgeformt ist.“
Chaining
Aus mehreren Sequenzen bestehende einfache Bewegungsformen wie das Gehen, Werfen oder Schwimmen können nicht nur durch das Shaping, sondern ebenfalls durch die Lehrmethode des Chainings (syn. Verkettung beherrschter Teilbewegungen) geschult werden. Die Fertigkeitsausformung erfolgt durch den geplanten Aufbau mehrgliedriger Verhaltensketten (Reiz-Reaktionssequenzen). Im Unterschied zum Shaping muss das Kind die einzelnen Teilbewegungen der Zielfertigkeit aber bereits beherrschen. Darüber hinaus legt der Sportlehrer die Reihenfolge der Lernschritte fest. Zu den äußeren Lernbedingungen der Lehrmethode des Chainings zählen die Reizkontiguität, die Wiederholung und die Verstärkung des motorischen Verhaltens.
Die Tierdressur erzielt durch das Chaining spektakuläre Erfolge. Weitläufig bekannt sind die Bravourleistungen von mundharmonikaspielenden Heidelberger Robben, wasserballspielenden Duisburger Delfinen, balljonglierenden Zirkuspudeln oder Affen, Hunden, Schweinen und Seehunden, die in Fernsehserien menschliche Verhaltensweisen zeigen.
Wie die Sequenzen einer elementaren Bewegungsfertigkeit als Reiz-Reaktionssequenzen zusammenhängen, veranschaulicht in Abbildung 32 wiederum das Beispiel der Aneignung des „Wegschlagens eines Gymnastikballs“ (R OTH , 1983). Vor jeder Einzelhandlung bekommt der Schüler sensorische Rückmeldungen über die Ausgangsbedingungen (intrinsisches Feedback; SR1-SR5; vgl. Abb. 32 a). Er sieht, „daß der Ball jetzt flach in der Hand liegt (visuelle
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