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Bewegungswissenschaft

Bewegungswissenschaft

Titel: Bewegungswissenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wollny
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Rückmeldung), er spürt den Ball in seiner Hand (taktile Rückmeldung) und er erhält vor allem (meist nicht bewußt werdende) Meldungen aus seinem Bewegungsapparat (kinästhetische Rückmeldung)“ (R OTH , 1983, S. 160). Die sprachlichen Anweisungen des Sportlehrers (S1-S5) erfolgen unmittelbar vor der gewünschten Einzelsequenz. Auf das intrinsische Feedback folgt ein äußerer diskriminativer Hinweisreiz zur Auslösung der nachfolgenden Teilbewegung. „Die Rückmeldung (z. B. SR2) und die verbalen Instruktionen (z. B. S3) erfüllen damit die Bedingung der Kontiguität des Reizes“ (R OTH , 1983, S. 160).

    Abb. 32: Verhaltenskettenbildung für die Aneignung der elementaren Bewegungsfertigkeit „Wegschlagen eines Gymnastikballs“ (mod. nach R OTH , 1983, S. 159–160)
a ) Sprachliche Instruktionen (S1-S5)
b ) Erlernte Verhaltenskette (R1-R5)
    Bei mehrmaliger Wiederholung der Reizsubstitution wird jede Einzelbewegung durch die sensorischen Rückmeldungen der vorangegangenen Teilbewegung eingeleitet ( vgl. Abb. 32 b). Nach der Auslösung des ersten Stimulus („Schlag den Ball weg“) läuft die gesamte motorische Verhaltenskette autonom und vollständig ab. Gegen die Lehrmethode des Chainings führen die in Lektion 6 vorgestellten Informationsverarbeitungsansätze allerdings eine Vielzahl plausibler theoretischer Argumente und empirischer Untersuchungsbefunde an.
    Gezielte Darbietung von Modellverhalten
    Menschen eignen sich neue motorische Fertigkeiten nicht nur durch aktives Ausprobieren und Üben an, sondern auch durch die „passive“ Beobachtung des Bewegungsverhaltensanderer Menschen. B ANDURA (1986) untergliedert den Vermittlungsprozess zwischen den Reizen des Vorbildes und dem Verhalten des beobachtenden Individuums in zwei Hauptphasen mit jeweils zwei Subprozessen: die kognitive Aneignungsphase des modellierten Verhaltens (Aufmerksamkeits- und Gedächtnisprozesse) und die motivational gesteuerte Ausführungsphase (Reproduktions- und Motivationsprozesse). Abbildung 33 stellt den mehrstufigen Prozess des Lernens am Modell schematisch dar.

    Abb. 33: Schematische Darstellung des Lernens am Modell (mod. nach B ANDURA , 1986)
    Aufmerksamkeitsprozesse in der Beobachtungsphase . Zunächst muss der Beobachter die wesentlichen Merkmale des Modellverhaltens bewusst oder unbewusst wahrnehmen. Die Lenkung der Aufmerksamkeit auf bestimmte Bewegungsaspekte fördert das zu beobachtende Verhalten (Auffälligkeit, Bedeutsamkeit, Attraktivität, Differenziertheit, Komplexität usw.), das Vorbild (Alter, Geschlecht, besondere Fähigkeiten, sozialer Status usw.), die speziellen Eigenschaften des Beobachters (Wahrnehmungskapazität, Einstellungen, Erwartung, Motivationsgrad usw.) und die Beobachtungssituation (z. B. begleitende Verbalisierung der Beobachtung).
    Verarbeitungs- und Gedächtnisprozesse. Für die Nachahmung des modellierten Verhaltens erscheinen zentralnervöse Behaltensprozesse und Repräsentationen notwendig, da die beobachtete Handlung möglicherweise erst zu einem späteren Zeitpunkt reproduziert wird. Die zentralnervöse Kodierung der wahrgenommenen Verhaltensmuster erfolgt wahrscheinlich in symbolischer Form durch zwei Repräsentationssysteme: direkte Abfolge bildhafter Vorstellungen (Bewegungsbilder, visuelle Repräsentation) und/oder sprachliche Beschreibung (Sprachsymbole, verbale Repräsentation). Wenn beispielsweise die Zubereitung einer „heißen Zitrone“ erlernt wird, müssen die notwendigen Teilschritte – das Erhitzen des Wassers, das Auspressen der Zitrone, dasMischen des heißen Wassers mit dem Zitronensaft und das Abschmecken der heißen Zitrone mit Zucker – im Gedächtnis als Sprachsymbole gespeichert werden. Generell gelten verbale Repräsentationen visuellen überlegen. Eine Ausnahme bildet die vornehmlich visuell repräsentierte Kodierung motorischer Fertigkeiten (G ERST , 1971).
    Die weitere Verschlüsselung des beobachteten Verhaltens umfasst die Klassifizierung, die Organisation und die Zusammenfassung der Modellreize. Liegt eine Vielzahl modellierter Reaktionen vor, abstrahiert der Mensch übergeordnete Regeln und bildet spezielle Gedächtniskodes zur Anleitung der Reproduktion des beobachteten Verhaltens. Modellierte Bewegungsmuster speichert der Lernende dann besser im Gedächtnis, wenn diese mehrmals gedanklich durchgearbeitet oder ausprobiert werden können (R OTH , 1983; T RAUTNER , 1992).
    Motorische Reproduktionsprozesse. Für das Lernen am Modell von zentraler

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