Bewegungswissenschaft
Verstärkung des Verhaltens ab. Behavioristen unterscheiden vier Verstärkungsformen ( vgl. Abb. 31 ). Folgt dem gezeigten Verhalten eine für das Individuum angenehme Konsequenz (positive Verstärkung) oder wird ein unangenehmer Reiz entfernt (negative Verstärkung) , erhöht dies die Auftretenswahrscheinlichkeit, dass die Versuchsperson eine spezielle Verhaltensweise wiederholt. Demgegenüber werden Reaktionen mit unangenehmen Verhaltenskonsequenzen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht wieder in gleichen oder ähnlichen Situationen gezeigt. Unangenehme Verhaltenskonsequenzen rufen Behavioristen durch zwei Formen der Bestrafung hervor. Bei der positiven Bestrafung wird die Verhaltensunterdrückung durch einen unangenehmen Reiz und bei der negativen Bestrafung durch die Wegnahme eines nur schwer erträglichen Reizes erreicht. Generell gilt, dass verstärktes Verhalten löschungsresistenter ist als durch Bestrafung konditionierte Verhaltensweisen. Negativ verstärktes Verhalten wirkt löschungsresistenter als positiv verstärktes Verhalten.
Abb. 31: Formen der Verstärkung und der Bestrafung kognitiver und motorischer Verhaltensweisen
Sozialkognitive Position
Motorische Lernprozesse können auch stattfinden, ohne dass der Mensch die Bewegung übt und die Konsequenzen seines Verhaltens direkt erfährt. Plötzlich, ohne äußere Anleitung beherrschte einfache und komplexe Bewegungstechniken sind im Alltag und in der Sportpraxis keine ungewöhnlichen Phänomene. Beispielsweise zeigen Kinder exakte Abbilder des motorischen Verhaltens anderer Personen. Sie werfen, fangen oder schießen Bälle auf Anhieb in der annähernd richtigen Art und Weise. Werden die Kinder danach befragt, wer ihnen die spezielle Bewegungsfertigkeit beigebracht hat, antworten sie häufig, dass sie die Fertigkeit bei anderen beobachtet und sie einfach nachgemacht hätten. Die Effizienz des Beobachtungslernens ist derart offensichtlich, dass behavioristische Wissenschaftler die zu Grunde liegenden Bewusstseins-, Gedächtnis- und Motivationsprozesse des Individuums nicht übersehen oder ausklammern können.
Das auf Albert B ANDURA (1976, 1986) zurückgehende sozialkognitive Lernkonzept verbindet die Grundannahmen der klassischen und operanten Konditionierung durch die Annahme kognitiver Vermittlungsprozesse miteinander. Nach der Theorie des Lernens am Modell unterliegt der Erwerb motorischer Verhaltensweisen nicht ausschließlich Reiz-Reaktionsverbindungen und Verhaltenskonsequenzen, sondern zusätzlich der bewussten oder unbewussten Wahrnehmung des Verhaltens eines Modells. Einen Grundpfeiler der sozialkognitiven Position stellt die informationstheoretische Vorstellung dar, dass der Mensch einem komplexen Informationsverarbeitungssystem gleicht, das die Verhaltensweisen seiner Mitmenschen beobachtet und imitiert. „Damit Beobachtungslernen stattfindet, muß der Beobachtende das Modell aufmerksam beobachten, das beobachtete Verhalten behalten können sowie fähig und motiviert sein, es auszuführen“ (L ANGFELDT , 1996, S. 107).
Im Sport versuchen Kinder ebenso wie Jugendliche oder Erwachsene, sich spezifische Bewegungstechniken durch die Beobachtung und die Nachahmung des Verhaltens realer Modellpersonen (Eltern, Erwachsene, Geschwister, andere Kinder usw.) oder symbolischer Vorbilder (Filme, Fernsehen, Bilder, Bücher usw.) anzueignen. Tischtennisspieler verbessern ihre Spielleistungen nicht nur durch intensives Training, sondern auch durch die Beobachtung anderer Spieler oder der eigenen Spielweise (z. B. Videoaufzeichnung).
Das Lernen am Modell unterscheidet sich von der Konditionierung dadurch, dass der Beobachter nicht zwangsläufig Bewegungserfahrungen sammeln muss und dass äußere Verstärkungsreize (z. B. Lob des Trainers) als nicht zwingend notwendig erachtet werden, da der Mensch über die Fähigkeit der Selbstverstärkung und der Selbstbestrafung seines Verhaltens verfügt. Bei der Aneignung elementarer motorischer Fertigkeiten gilt das Lernen am Modell als gleichermaßen effizient wie das intensive motorische Üben.
4 Wie sieht die Schulung elementarer motorischer Fertigkeiten aus?
Elementare motorische Fertigkeiten wie das Springen, das Werfen, das Schießen, das Fangen oder das Klettern erwerben Kinder üblicherweise bis zum Ende des Vorschulkindalters (6./7. Lebensjahr; vgl. Lektion 8 ). Bis zu dieser Altersstufe können die motorischen Grundmuster nicht über bereits beherrschte Bewegungsfertigkeiten oder Sequenzen vermittelt
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