Bewegungswissenschaft
Bedeutung erscheinen das aktive Einüben der modellierten Reaktionsmuster und die unmittelbare Korrektur der ersten Bewegungsausführungen. Der Effektivitätsgrad kognitiver Organisationsprozesse der beobachteten Bewegung hängt davon ab, inwieweit das Individuum über zentrale motorische Komponenten des Modellverhaltens verfügt. „Wenn Beobachtern einige der notwendigen Teile nicht zur Verfügung stehen, können die konstituierenden Elemente zuerst modelliert werden, um dann zur Nachahmung schrittweise zu immer schwierigeren Zusammensetzungen ausgebaut zu werden“ (B ANDURA , 1976, S. 29).
Besondere Schwierigkeiten bereiten komplexe Bewegungen, wenn die konditionellen oder koordinativen Voraussetzungen fehlen oder zentrale Komponenten der Modellbewegung nur schwer wahrgenommen oder beschrieben werden können (z. B. Kehlkopfbewegungen bei Opernsängern, Kippbewegungen im Gerätturnen, Kanteneinsatz beim Skifahren, Powerhalse beim Windsurfen; S INGER & M UNZERT , 2000).
Motivationsprozesse zur Verhaltensausführung. Nicht alle durch Beobachtungen erlernten motorischen Verhaltensweisen setzt der Mensch unmittelbar um. Von großer Bedeutung für die Reproduzierung der beobachteten Handlung sind fördernde und lenkende Motivations- und Bekräftigungsprozesse wie externale Bekräftigungen, direkte Anreize durch das Vorbild und Selbstbekräftigungen des Beobachters. „Darüber hinaus können die antizipierten Folgen dabei helfen, das zu behalten, was durch Beobachtung gelernt wurde“ (B ANDURA , 1976, S. 51).
5 Vermittlung elementarer motorischer Fertigkeiten im Überblick
Der Behaviorismus stellt nicht nur die wichtigste lernpsychologische Forschungsrichtung der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dar, sondern auch den „historischen“ Vorläufer der in der Bewegungsforschung sehr erfolgreichen Informationsverarbeitungsansätze ( vgl. Lektion 6 ). Behavioristen wie P AWLOW , T HORNDIKE , W ATSON oder S KINNER kennzeichnen den Menschen als ein passives, informationsverarbeitendes Wesen, das auf bestimmte Reize der Umwelt mit einem vorhersagbaren Verhalten reagiert ( Reiz-Reaktionstheorie ). Das motorische Handeln wird als Reiz-Reaktionsmuster verstanden. Die Gesetzmäßigkeiten des Bewegungslernens versuchen Behavioristen, ausschließlich über naturwissenschaftliche Beobachtungen äußerer Verhaltensphänomene zu erschließen. Die körperinternen motorischen Mechanismen und Funktionsprozesse der Motorik bleiben unberücksichtigt.
Die instrumentelle und operante Konditionierung (verstärkungstheoretische Ansätze) können im Gegensatz zur klassischen Konditionierung (kontiguitätstheoretische Position) nicht nur zur Kopplung einer beherrschten Reaktion an eine bestimmte Situation eingesetzt werden, sondern auch zur Herausarbeitung neuartiger motorischer Verhaltensformen. Die instrumentelle und operante Konditionierung unterscheidet sich dadurch, dass bei der instrumentellen Konditionierung der Lernende nur eine einzelne oder einige wenige Bewegungsfertigkeiten ausführen darf. Zudem kann die Wiederholung des Verhaltens nicht ohne die Anwesenheit des Sportlehrers, Übungsleiters oder Trainers erfolgen, die den Übenden für jeden Versuch in die Ausgangssituation zurücksetzen. In der operanten Lernsituation kann der Sportler die Zielfertigkeit oder andere Bewegungsformen zeigen und diese beliebig oft wiederholen. Das motorische Lernen unterliegt allein der Verstärkung durch den Lehrer. Tabelle 7 listet die wesentlichen Unterschiede zwischen der klassischen, instrumentellen und operanten Konditionierung auf.
In den 70er Jahren des 20. JJahrhunderts beenden die sozialkognitiven Lernkonzepte die langjährige Vormachtstellung behavioristischer Modellvorstellungen und leiten die „kognitive Wende“ in der Lernpsychologie ein. Nach der Theorie des Lernens am Modell von B ANDURA (1976, 1986) stellt das motorische Lernen einen aktiven, selbstbestimmten Veränderungsprozess dar. Spezielle Bewegungsfertigkeiten erwirbt der Mensch durch die Beobachtung und die Nachahmung des Verhaltens anderer Personen oder symbolischer Vorbilder. Der Beobachter muss hierbei weder eigene Bewegungserfahrungen sammeln noch benötigt er äußere Verstärkungsreize.
Tab. 7: Unterschiede zwischen der klassischen, instrumentellen und operanten Konditionierung
Während die praktisch-methodische Eignung der behavioristisch begründeten Lehrmethoden des Shapings (stufenweise Annäherung an die Zielfertigkeit) und des Chainings (Verkettung
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