Bewegungswissenschaft
richtet sich vor allem gegen die Computermetapher. Für Computer ist, mit Ausnahme neuartiger Parallelrechner, eine schnelle serielle (schrittweise) Verarbeitungsweise charakteristisch, während das Zentralnervensystem des Menschen eine langsame, hochgradige, parallele (gleichzeitige) Informationsverarbeitung bevorzugt. Zudem können Computer nur dann ordnungsgemäß funktionieren, wenn keine Software- oder Hardwarefehler vorliegen. Trotz der bekannten, relativ hohen Fehleranfälligkeit einzelner Strukturelemente verarbeitet das menschliche Hirn die wahrgenommenen Informationen als Ganzes weit gehend korrekt. Sogar der Ausfall kleiner Hirnstrukturen führt nicht zwangsläufig zu einer auffälligen Verschlechterung der Hirnleistung (Überblick: G ÖHNER , 1999; R OJAS , 1999).
Der Konnektionismus versucht, die menschliche Bewegungsorganisation mittels des spezifischen Verhaltens informationsverarbeitender künstlicher Neuronensysteme (syn. neuronale Netze, Neuronennetze) zu erklären. Neuronale Netze charakterisieren zum einen die große Anzahl sehr einfacher Verarbeitungseinheiten und die ausschließlich lokal vorliegenden Informationen. Diese werden ohne eine zentrale Instanz durch hochgradig parallele und verteilte Datentechniken schnell bearbeitet und gespeichert. Zum anderen können Neuronennetze komplexe nichtlineare Zusammenhänge erkennen und Regeln erlernen. Als Vorbild für die realitätsnahe, computergestützte Nachbildung biologischer Neuronennetze dienen die Anatomie und die Funktionsweise der Neurone des menschlichen Hirns (Überblick: R OJAS , 1999).
Die Neurone des Hirns bestehen aus einem ca. 0.25 mm großen Zellkörper, einem bis zu 1 m langen Axon und kurzen, stark verästelten Verzweigungen ( Dendriten ).
Das Axon ermöglicht die Weiterleitung der im Zellkörper entstehenden bioelektrischen Aktionspotenziale zu den Dendriten und den Zellkörpern benachbarter Neurone. Synapsen dienen als Berührungsstellen zwischen den zusammengeschalteten Nervenzellen ( vgl. Abb. 44 a). Die Hauptaufgabe der Neurone des Hirns besteht in der Umwandlung der zahlreichen Eingangssignale in ein einzelnes Ausgangssignal.
Abb. 44: Biologische und künstliche Neurone (mod. nach M ICROSOFT , 2002)
a) Verbund biologischer Nervenzellen
b) Künstliches neuronales Netz
Die vom Zellkörper des Neurons über synaptische Verbindungen aufgenommenen Eingangsreize können vor ihrer Weiterleitung, in Abhängigkeit von der momentanen „Gewichtung“ der einzelnen Synapsen, verstärkt oder abgeschwächt werden. Ihre Wirkung summiert sich, wenn eine größere Anzahl von Synapsen gleichzeitig aktiv wird. Setzen am Zellkörper mehr hemmende als erregende Synapsen an, sinkt die Erregbarkeit des Neurons. Biologische Neuronennetze stellen zwar keine starren Neuronenverbindungen dar, da die einzelnen Neurone zu verschiedenen Zeiten unterschiedlichen Neuronenverbänden angehören können. Je häufiger aber eine bestimmte Gruppe von Neuronen gleichzeitig erregt wird, desto stärker bildet sich ihre individuelle Vernetzung aus (hebbsche Lernregel; H EBB , 1949). Erfolgreiche Bewegungsausführungen hinterlassen spezifische Aktivierungen der Neurone, die der Mensch wahrscheinlich als überdauernde Gewichtungen speichert.
Wie funktionieren computergestützte künstliche Neuronennetze? In mathematische Modelle gefasste Neuronensysteme setzen sich aus drei elementaren Verarbeitungsschichten zusammen: der Eingabeschicht, der verborgenen inneren Schicht und der Ausgabeschicht ( vgl. Abb. 44 b). Jede Neuronenschicht kann aus einer unterschiedlichen Anzahl von Neuronen (Knoten) bestehen. Jeder Knoten einer Schicht kann mit allen Knoten benachbarter Schichten verbunden sein. Nebeneinander liegende Neurone können auch untereinander oder nur mit über- oder nachgeordneten Neuronen vernetzt sein. Die Verbindungen zwischen den Neuronen sind gerichtet: von der Eingabeschicht über die verborgene innere Schicht zur Ausgabeschicht.
Mathematische Vektoren informieren die Neurone der Eingangsschicht über bestimmte Umweltbedingungen. In Abhängigkeit von der Eingabeart (erregend oder hemmend) können die Neurone verschiedene Aktivierungszustände besitzen. Diese werden durch „Gewichte“ dargestellt (positive Zahlenwerte: erregende Verbindung; negative Zahlenwerte: hemmende Verbindung). Inwieweit das Signal übermittelt wird, symbolisiert die Zahl 1 (ja) oder 0 (nein). Die Übertragungsstärke an den Synapsen kennzeichnet eine rationale Zahl zwischen -1
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