Bewegungswissenschaft
wenig anwendungsorientiert. Schwierigkeiten bereiten die Kodierung und die Umsetzung bewegungswissenschaftlicher Problemstellungen und die Entwicklung allgemein verbindlicher Modelle sporttypischer Bewegungen. Abzuwartenbleibt, welche Bedeutung der Konnektionismus für die sportbezogene Anwendungsforschung erlangt (W ILLIMCZIK & S CHILDMACHER , 1999).
3.3.3 Was besagt die Modularitätshypothese?
Die ursprünglich in der Kognitionspsychologie entwickelte, aber durchaus auf die Belange der Bewegungswissenschaft zu übertragende Modularitätshypothese von F ODOR (1983) verbindet in idealtypischer Weise die funktionalen Aspekte des kognitiven und motorischen Verhaltens mit den neuroanatomischen und konnektionistischen Kenntnissen über die biologischen Strukturen und Funktionsmechanismen des Zentralnervensystems miteinander. Theoretischer Ausgangspunkt ist die Annahme einer lokalen, partiell-modularen Bewegungsorganisation. Komplexe, zielgerichtete Handlungen gelingen deshalb, weil autonome (Teil-)Systeme (Module) weit gehend ohne Einflussnahme des Hirns die Wahrnehmungs- und die Bewegungskontrolle übernehmen. Nach der Modularitätshypothese besteht eine Dreiteilung der Bewegungsregulation: modulare Input- und Outputmodule und nichtmodulare zentrale Systeme ( vgl. Abb. 45 ).
Abb. 45: „Hohlköpfige“ modulare Input- und Outputsysteme und „scharfsinnige“, nichtmodulare zentrale Systeme (mod. nach R OTH & H OSSNER , 1999, S. 215)
Für die extero- und propriozeptive Wahrnehmung bestehen auf der Eingabeseite „hohlköpfige“ modulare Inputmodule , die Abbilder der realen Welt und des Körperinneren (Afferenzen, Reafferenzen) liefern. Zu ihren charakteristischen Merkmalen zählen:
die feste neurobiologische Struktur (farbempfindliche Zapfenzellen des Auges, bewegungsempfindliches Vestibularsystem usw.),
die genetische Determination (z. B. Wahrnehmung von Farben durch das Hirnareal V4),
die Domänenspezifität (z. B. Analyse von Farben oder Bewegungen),
die Autonomie (z. B. ungestörte Wahrnehmung von Farben bei gestörter Bewegungswahrnehmung),
die informationelle Einkapselung (z. B. keine Störung der Farbwahrnehmung durch Bewegungswahrnehmung),
die schnelle Informationsverarbeitung (z. B. direkte Wahrnehmung der Farbe „rot“) und
das spezifische Ausfallmuster (z. B. Verlust der Wahrnehmung von Farben bei Ausfall des Hirnareals V4; R OTH & H OSSNER , 1999).
Die Resultate der modularen Inputmodule werden nachgeschalteten „scharfsinnigen“ nichtmodularen zentralen Systemen übermittelt. Zu ihren Charakteristika zählen die Domänenneutralität, die willkürliche Kontrolle, der unbegrenzte Informationsaustausch, die Assoziation mit neuralen Strukturen und die Langsamkeit. Auf der Ausgabeseite stehen analog den Inputmodulen domänenspezifische, autonome, schnelle, „hohlköpfige“, modulare motorische Outputmodule . Diese übertragen die Informationen an die Effektorsysteme (z. B. Skelettmuskulatur). Im Gegensatz zu den Informationsverarbeitungsansätzen geht die Modularitätshypothese davon aus, dass die zentralen Systeme nicht verpflichtend sind, da zusätzliche direkte Informationswege zwischen den Input- und Outputsystemen angenommen werden ( vgl. Abb. 45 ). Diese schnellen Verbindungen entstehen durch Lernen und umfangreiches Üben.
Die Übertragung der Modularitätshypothese von F ODOR auf die sportwissenschaftliche Motorikforschung, mit der gleichsam die empirische „Jagd nach Motorikmodulen“ (R OTH , 1995, S. 12) einsetzt, geht auf H OSSNER (1995) zurück. Seine Untersuchungsreihen mit sporttypischen Bewegungsformen liefern erste Hinweise für die Existenz eines technikunspezifischen modularen Systems der zeitlichen Bewegungsstrukturierung. Hierzu zählen die Fähigkeiten der Festlegung prozentualer Bewegungszeiten, der Regulation der Fortbewegungsgeschwindigkeit, des Erbringens einer hohen Bewegungspräzision (Zielgenauigkeit) und der zeitlichen Strukturierung der Bewegung. Oder anders ausgedrückt: Der Erwerb und die Optimierung der Fähigkeiten der zeitlichen Bewegungsstrukturierung erfolgt unabhängig davon, welche spezielle motorische Fertigkeit erlernt und geübt wird.
Auf der Grundlage der empirischen Befunde zur Modularität der Motorik entwerfen H OSSNER (1997), H OSSNER und K ORTMANN (1999) einen pragmatischen „Baukasten“ für das Techniktraining im Spitzenvolleyball.
Tab. 9: Situationsklassen des leistungsorientierten Volleyballspiels und zugeordnete Technikbausteine (mod. nach
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