Bewegungswissenschaft
und 1. Durch bestimmte Aktivierungsregeln (Addition, Multiplikation usw.) kann die Erregung an einem speziellen Dendritenzweig aufrechterhalten, abgeschwächt oder unterdrückt werden. Das Ergebnis der Informationsverarbeitung durch die verborgene innere Schicht bilden die Neurone der Ausgabeschicht ab. Aus mathematischer Sicht führen künstliche Neuronennetze eine Vektortransformation von einem Eingabevektor in einen Ausgabevektor durch (Überblick: R OJAS , 1999, 2004).
Eine wichtige Eigenschaft neuronaler Netze ist die Lernfähigkeit. Diese wird durch zwei Hauptarten von Algorithmen (Lernregeln) ermöglicht: überwachtes ( Backpropagation ) und unüberwachtes, selbstorganisiertes Lernen.
Das überwachte Lernen (supervised learning) passt die zunächst zufälligen Synapsengewichte der verschiedenen Schichten so lange durch zielgerichtete Trainingsdaten an, bis die gewünschte Informationsverarbeitung relativ stabil übernommen wird und die eingegebenen Daten mit denen der Ausgabeschicht weit gehend übereinstimmen. Die bekannteste Lernregel, der Backpropagation-Algorithmus von P ARKER (1985), optimiert die Neuronengewichte dadurch, indem der Ausgabevektor mit dem vorgegebenen Ergebnis verglichen und der mögliche Ausgabefehler rückwärts zu den vorangehenden Neuronenschichten übermittelt wird. Das überwachte Lernen weist deutliche Parallelen zum sportlichen Techniktraining auf. „Das Ziel kann z. B. ein Korbwurf im Basketball sein, der immer wieder geübt und dessen Lernprozeß durch Rückmeldungen des Übungsleiters unterstützt wird. Nach etwas Üben ist der Sportler in der Lage, aus anderen Positionen oder mit anderen Bällen den Korb zu treffen“ (W ILLIMCZIK & S CHILDMACHER , 1999, S. 114).
K ÜNZELL (1996) simuliert mittels eines neuronalen Netzes die Aneignung und die Optimierung des Positionswurfs im Basketball. Die Aufgabe des künstlichen Netzes besteht darin, aus unterschiedlichen Entfernungen (3, 5, 7 und 9 m) durch die Kombination von Abflugwinkel (40-60°) und Abfluggeschwindigkeit (7-11 m/s) einen Korbtreffer zu erzielen. Durch die Vorgabe von sechs Netzgruppen mit unterschiedlichen Umgebungsbedingungen – geringe Kontextinterferenz (verschiedene Aufgaben, getrennt in einzelnen Blöcken) bis hohe Kontextinterferenz (verschiedene Aufgaben unmittelbar hintereinander) – stellt K ÜNZELL vergleichbar mit dem menschlichen Lernen fest, dass eine höhere Kontextinterferenz beim Lernen in künstlichen Neuronennetzen zu besseren Resultaten führt.
Dem unüberwachten, selbstorganisierten Lernen (unsupervised learning) fehlen der Unterweiser, die vorgegebene Zielvariable und der zurückgemeldete Fehler. Die weit verbreiteten Neuronennetze von K OHONEN (1988, 2005) verbinden jedes Neuron mit allen benachbarten Neuronen. Die Festlegung spezieller Synapsengewichte unterliegt einem selbstgesteuerten Lernprozess. Primäres Ziel ist die Ausbildung eines Clusters, dessen Neurone auf bestimmte Umweltinformationen mit ähnlichen Merkmalen reagieren. Derartige Neuronencluster werden üblicherweise als räumliche neuronale Muster dargestellt, als so genannte topografische oder selbstorganisierte Merkmalskarten. In der Ausgabeschicht kann ein „Winner-Takes-All-Algorithmus“ dafür sorgen, dass nur das am meisten erregte Neuron aktiviert wird. Welches Neuron auf welches Cluster reagiert, untersteht der Selbstorganisation des K OHONEN -Netzes (Überblick: K ÜNZELL , 1996; W ILLIMCZIK & S CHILDMACHER , 1999).
Zu den alltäglichen Anwendungsfeldern künstlicher neuronaler Netze zählen die Bildverarbeitung im Rahmen der Mustererkennung (Handschriften, Gesichter, Fingerabdrücke usw.) oder die Simulation visueller Anwendungen (Abstandsmessungen bei Kraftfahrzeugen, Sicherheitskontrollen auf Flughäfen usw.). Die sportbezogene Bewegungswissenschaft verwendet neuronale Netze zur Erforschung der Motorik (z. B. reflektorische Kontrolle der Körperhaltung, willkürliche Bewegungskontrolle, Lokomotion; Überblick: W ILLIMCZIK & S CHILDMACHER , 1999) und des Technikerwerbstrainings (K ÜNZELL , 1996, Basketballpositionswurf), der Mustererkennung komplexer sporttypischer Fertigkeiten (S CHÖLLHORN & B AUER , 1997, 1999, Diskuswurf, Laufstil), der Bewertung der Bewegungsausführung (E IMERT , 1998, O-Brien-Technik) oder der Modellierung biomechanischer Phänomene (R ITTER , 1987, Stabbalancieren auf bewegter Unterlage).
Insgesamt sind die konnektionistischen Erkenntnisse der Bewegungswissenschaft des Sports gering und
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