Beziehungs-Notfall-Set
leben auch die sexuell »begabtesten« Leute ihre Sinnlichkeit nur zu etwa dreißig Prozent aus, während »Durchschnittsmenschen« zirka zwanzig und sexuell Verwundete lediglich fünf bis fünfzehn Prozent ihres Geschlechtslebens realisieren. Dadurch geht ein erhebliches Potenzial an Spontaneität, Lebendigkeit, Natürlichkeit und Regeneration verloren.
Wir sehen den Bereich der Sexualität im besten Falle kurzsichtig. Abgesehen von den religiösen Überzeugungen, welche die Sexualität mit Scham und Schuldgefühlen verzerren, wird sie mit ödipalen Bereichen wie Konkurrenzdenken, Übertreibung, Schuld, Angst vor Nähe und Erfolg sowie Verdrängung verknüpft. All das stört unser sinnliches Erleben. Sexuelle Selbstkonzepte verursachen Hemmungen und Scham, statt Inspiration und Natürlichkeit zu schenken. Nur wenn wir einen ruhigen oder leeren Geist haben oder verliebt sind, können wir jenes sinnliche Feuerwerk erleben, das die Erde zum Beben bringt. Für die meisten Menschen ist das – sofern sie nicht Opfer einer sexuellen Verschwörung sind – die einzige Möglichkeit, vollkommen loszulassen. Es ist die Erfahrung, die dem Himmel auf Erden am nächsten kommt. Wenn sich das Bewusstsein weitet, entwickelt sich die Sexualität zu einem Bereich ekstatischer Möglichkeiten.
Leider spalten sich viel zu viele Menschen infolge von gebrochenen Herzen und Beziehungsverletzungen von ihrem Geschlechtsleben ab. Sie haben die Verbindung zwischen ihrem Herzen und ihrem Intimbereich und hinsichtlich der Sexualität sogar zwischen ihrem Kopf und ihrem Herzen gekappt. Das führt dazu, dass sie sich gänzlich von ihrer Libido abschneiden und ein sehr dissoziiertes Geschlechtsleben führen oder sich die größte Mühe geben, wilde oder ausgefallene Orgien zu erleben, um überhaupt etwas fühlen zu können.
Auch die Gesellschaft greift negativ in Sexualität und Beziehungen ein, was von der Ödipusverschwörung noch verstärkt werden kann. Diese Falle kann sich unwillkürlich zwischen einem Mann und einer Frau auftun. Ich nenne es die »Geschichte von der Blume und der Biene«.
Das kleine Bienchen summt glücklich auf der Wiese herum und sammelt den Nektar der Blumen, bis ein bestimmtes Blümchen ein Auge auf es wirft. Dieses Blümchen weiß, dass dieses Bienchen von allen Bienen auf der ganzen Welt ihr kleiner Summer sein soll. Das Blümchen verströmt einen ganz bestimmten Duft, der nur für dieses Bienchen bestimmt ist. Es nimmt einen berauschenden Atemzug der exotischen Essenz und summt geradewegs zu seinem Blümchen. Es ist Liebe auf den ersten Summ, und das Bienchen summt freudig um sein Blümchen herum.
Sie sind recht glücklich miteinander, bis sich die Blume eines Tages – inzwischen sind sie verheiratet – an ihre Blumenausbildung erinnert. Damals hatte man ihr gesagt, dass gute Blumen nicht so offen und großzügig mit ihrem Duft umgingen, und es hält sich zurück. Das Blümchen fängt an, sich zu verschließen. Auch wenn es sich öffnet, geht es viel weniger verschwenderisch mit seinem Duft um. Das arme Bienchen weiß nicht, wie ihm geschieht. Es summt aufgeregt herum, weil es herausfinden und verstehen will, warum auf einmal alles anders ist.
An diesem Punkt gibt es mehrere Möglichkeiten. Das Bienchen lässt das Köpfchen hängen und summt nicht mehr ganz so fröhlich, woraufhin auch das Blümchen das Köpfchen hängen lässt. Oder aber das Bienchen summt noch eine Weile um das Blümchen herum und versucht, ihm eine Reaktion zu entlocken, fliegt aber schließlich davon, um anderswo auf der Wiese nach Nektar zu suchen.
Nun wacht das Blümchen auf und denkt: »O nein! Das kann ich nicht zulassen!« Und es lässt seinen süßen Duft wieder zu seinem Bienchen hinüberwehen. Dieses ist schon weit fort, doch als es den angenehm vertrauten Duft erschnuppert, summt es aufgeregt zu seinem Blümchen zurück und wird freudig von ihm begrüßt.
Aber schon viel zu bald verschließt sich das Blümchen von neuem. Es steckt in der Zwickmühle: Einerseits will es eine gute Blume sein, andererseits will es seinem wahren Bienchen alles geben. Das kann eine Weile so hin und her gehen, bis entweder beide dahinwelken oder das Bienchen auf und davon fliegt, obwohl es lieber geblieben wäre.
Ein viel schöneres Szenario wäre es, wenn beide aufwachten und ihrer Liebe und Nähe höchste Priorität einräumten. In diesem Fall lebten sie glücklich und zufrieden – und mit viel Gesumm -, bis dass der Tod sie schiede.
Die
Weitere Kostenlose Bücher