Beziehungskiller: Kriminalroman (German Edition)
Urner.«
»Genau.«
»Das
nützt uns aber ziemlich wenig. Weißt du, wo der wohnt?«
»Nein.
Aber ich weiß, wo er sich gerade aufhält.«
»Spann
mich nicht auf die Folter. Sag’s schon.«
»Die
Jenny hat erzählt, dass sie sich unheimlich freut, weil der Urner sie für eine
Woche in Wien ins ANA Grand Hotel mitnehmen wollte. Siehst du, Saunagespräche
unter Frauen sind doch für was gut.«
»ANA
Grand Hotel sagst du?«
»Ja,
warum?«
»Das
trifft sich ausgezeichnet. Halt die Daumen, ich ruf mal an.«
»Kennst
du da wen?«
»Wenn
heute der richtige Tag ist, dann schon. Es handelt sich nämlich um ein
schrecklich falsches Klischee, dass alle Geisteswissenschaftler Taxi fahren.
Die meisten arbeiten als Nachtportier. Da hat man genug Zeit, um zu lesen.«
Ich
holte mein Handy raus und wählte eine Nummer. Nach zweimal Läuten meldete sich
eine Stimme. Bemerkenswert ausgeschlafen.
»Ocwirk.«
»Guten
Morgen, Herr Ocwirk, Dr. Linder spricht. Gerade bei der Arbeit?«
»Ah,
guten Morgen, Herr Doktor. Ja, was gibt’s denn?«
»Ich
bräuchte eine kleine Auskunft bezüglich eines Gastes. Ist das machbar?«
»Eigentlich
nicht. Das verstößt gegen meinen Dienstvertrag als Nachtportier.«
»Sie
schreiben ein ausgezeichnetes Deutsch, Herr Ocwirk«, erinnerte ich ihn daran,
dass ich es war, der seine Magisterarbeit beurteilte. Sein Professor hatte
davon noch kein Wort gelesen.
»Danke,
trotzdem ist es illegal.«
»Wollen
Sie ein ›sehr gut‹ oder soll ich die Lesebrille aufsetzen? Das Kapitel über
Sallust riecht geradezu danach, als ob sich da jemand über ein paar
Schwierigkeiten drübergeschwindelt hätte.«
»Hm,
sicher, kein Problem, ich schau gleich nach«, flüsterte Ocwirk leise ins
Telefon. »Um wen geht’s?«
»Urner,
Ernest. Ist der bei euch?«
»Moment.«
Ich hörte Tastaturgeklapper. »Ja, der ist bei uns zu Gast.«
»Welches
Zimmer denn?«
»325.
Aber das ist kein Zimmer, sondern eine Suite.«
»Danke
für die Auskunft. Machen Sie sich keine Sorgen um die Arbeit. Wir sehen uns
dann im Oktober.«
»Danke,
auf Wiederhören.« Ocwirk legte auf. Ich grinste Laura an.
»Du
bist ein Schuft, Arno!«
»Warum?«
»Den
kleinen Studenten so unter Druck zu setzen!«
»Ach,
der hält das aus. Hätte sowieso ein ›sehr gut‹ bekommen. Die Arbeit ist
einwandfrei.«
»Danke,
Frau Irmi, für den Tee, und Entschuldigung für die Unannehmlichkeiten, die wir
verursacht haben.«
»Keine
Ursache. Wie gsagt, i kann momentan eh net schlafen.«
»Fahren
wir?«
»Sicher.«
»Wollen
S’ net lieber hier schlafen? Ich richt Ihnen schnell a Bett her, es is scho
recht spät, Sie müssen ja müd’ sein.«
»Sehr
lieb von Ihnen, Frau Irmi, aber das geht nicht. Wir müssen gleich los, damit
wir so um acht Uhr in Wien sind«, meinte Laura. »Das Buch ist uns schon einmal
durch die Finger geflutscht, ein zweites Mal darf das nicht passieren, sonst
finden wir es nie mehr!«
»Hm.
Vielleicht kommen wir ohnehin zu spät, wer weiß, ob Urner es nicht schon
verkauft hat.«
»Wenn,
dann nur an Anne. Du hast mit ihr telefoniert, hat sie so geklungen, als ob sie
das Buch hätte?«
»Nein,
überhaupt nicht.« Dass sie so geklungen hatte, als wüsste sie von gar nichts,
verschwieg ich.
»Siehst
du! Die meint, wir sind im Weinviertel, weit ab vom Schuss. Darum hat sie uns
auch rausfahren lassen. Urner hatte sie sicher schon kontaktiert, sie wusste,
dass er das Buch hatte und nicht wir. Wahrscheinlich hat ihr der Idiot sogar
gesagt, dass er es mitgenommen hat. Also denkt sie, wir sind weg. Sie wird
sofort bei Urner angerufen und für morgen Früh einen Termin vereinbart haben.«
»Kann
sein.« Ich fischte mein Handy raus.
»Was
machst du da?«
»Ich
ruf Ocwirk noch mal an und frag’ nach, ob Urner nach Mitternacht einen Anruf
hatte.« Ich war sehr stolz auf meinen Einfall.
»Blödsinn.«
»Wieso?«
»Arno,
wir sind im Handyzeitalter! Meinst du, jemand ruft in so einer Angelegenheit
über die Hotelzentrale an? Das war vielleicht in den Fünfzigern noch so. Heute
sicher nicht mehr.«
»Du
hast recht.« Ich steckte mein Handy ein und verfluchte die moderne Technik.
»Also,
was ist? Fahren wir?«
»Sicher,
fahren wir.«
Und so
fuhren wir los, in die dunkle Weinviertler Nacht hinein.
Kapitel 5
I
Punkt 8.15 Uhr betraten Laura
und ich die Lobby des ANA Grand Hotels am Ring. Ruhig gingen wir auf die
Fahrstühle zu und fuhren in den dritten Stock hinauf. Laura und ich waren in
der Nacht nach Wien
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