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Bezueglich Enten und Universen

Bezueglich Enten und Universen

Titel: Bezueglich Enten und Universen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neve Maslakovic
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auf seine Züge, der wahrscheinlich ein Spiegelbild meines eigenen war. Die Zeit blieb stehen, dann öffnete er den Mund, um etwas zu sagen, aber bevor er ein Wort herausbrachte, trat ich zwei Schritte auf ihn zu, rammte ihm den Finger in die Brust und verlangte zu wissen:
    »Vermisst du vielleicht ein Nudelholz?«

16
FELIX B
    Er taumelte verwirrt ein Stück zurück. »Ein Nudelholz? Was denn, aus dem
Organic Oven

    »Nein, eines aus Gummi.«
    »Ich glaube nicht, dass ich so eines besitze. Äh – wie wärs mit einem Tee oder Kaffee? Mir frieren die Hände ab. Die Teestube ein Stück weiter schien schon offen zu sein.«
    Ich riss mich zusammen und begleitete ihn zur Las-Palmas-Teestube. Keiner der Frühaufsteher, die drinnen saßen und gedruckte Zeitungen lasen, würdigte uns eines Blicks. Der Besitzer wischte sich die Hände an seiner Schürze ab und nickte uns grüßend zu. »Was darf ich Ihnen bringen, Bürger?«
    Ich warf einen raschen Blick auf die Karte an der Wand, und ganz unten erblickte ich, was ich in Universum B so schmerzlich vermisst hatte.
    »Kaffee, schwarz«, sagte ich.
    »Kaffee, schwarz«, sagte Felix B.
    »Zweimal schwarz, kommt sofort«, meinte der Besitzer.
    Wir kamen wortlos überein, dass es zu kalt war, um draußen zu sitzen, wo die Tische unter einer schattigen, mit wildem Wein bewachsenen Pergola standen. Stattdessen suchten wir uns einen freien Platz am Fenster. Während der Besitzer den Kaffee an einer einsamen Maschine zwischen vielen Teekannen und Teedosen zubereitete, fiel mein Blick auf die Aquarelle anden Wänden. Die Lokale in Carmel stellten gerne die Arbeiten von jungen ortsansässigen Künstlern aus. Die hier waren gar nicht schlecht.
    Ich blies auf meinen Kaffee, um ihn ein wenig abzukühlen, und betrachtete Felix über die Tasse hinweg. Es war, als würde man in den Spiegel sehen, nur dass das Gesicht, das einem entgegenblickte, nicht seitenverkehrt war. Unrasiert. Hellbraune Sommersprossen. Dünne und kraftlose braune Haare, genau wie ich, wenn auch ein gutes Stück länger. Seine von der kalten Morgenluft geröteten Wangen schienen ein wenig dicklich, und unwillkürlich fuhr meine Hand an mein eigenes Gesicht, ob sich meine Backen auch so rundeten. Unsere Blicke trafen sich und beide sahen wir sofort wieder weg.
    »Du trinkst also auch Kaffee, was?« Felix sprach als Erster und wischte mit dem Finger einen Tropfen von seiner Untertasse.
    »Warum ist er hier denn so schwer aufzutreiben?«
    »Wir haben es übertrieben – mit Vanille-, Schokoladen-, Orangen-, Karamell- und Minzgeschmack, mit der ganzen Schlagsahne, der aufgeschlagenen Milch, der aufgeschäumten Milch, ohne Milch, mit extra Milch oder mit Magermilch, mit Sauermilch, koffeinfrei, halb-koffeinfrei,
drittel-
entkoff... egal, es war einfach zu viel des Guten. Dann kapierte jemand plötzlich, dass es Tee in hundert verschiedenen natürlichen Varianten gibt – und er viel einfacher zu bestellen ist. Petersilie, heiß. Oolong, kalt. Aber hin und wieder mag ich doch noch einen Kaffee, besonders am Morgen. Sonst komme ich irgendwie nicht richtig in die Gänge.«
    Der Kaffee war stark. Ich beäugte die vier kleinen Dosen auf dem Tisch und fragte mich, ob eine davon wohl Zucker enthielt. Felix hob den Deckel ab. »Würfelzucker?«
    »Was ist in den anderen drei?«
    »Zitronentütchen, Honig, Milch.« Er reichte mir ein paar dereinzeln eingewickelten Zuckerwürfel und nahm sich selbst auch einen.
    Der Bursche
wirkte
einfach nicht wie ein kaltblütiger Killer – aber es wäre natürlich ein Kinderspiel für ihn gewesen, den Unwissenden zu mimen, wenn er wirklich einer war und das Spielzeugnudelholz als Falle in ein schlecht beleuchtetes Treppenhaus gelegt hatte, damit ich darauf ausrutschte und mir das Genick brach. Er wäre nicht der Erste gewesen, der so etwas probierte. Nachdem der Übergang vor etwa dreißig Jahren zum ersten Mal für die Öffentlichkeit freigegeben worden war, hatten skrupellose Bürger die Möglichkeit dazu genutzt, mit ihrem Alter den Platz zu tauschen (»nur mal sehen, wie es ist«) oder, schlimmer noch, ihre Alter umzulegen und deren Leben zu übernehmen. Solche Geschichten waren jedenfalls reihenweise im Umlauf. Ich hatte immer den Verdacht gehabt, dass sie ein wenig übertrieben waren. Allerdings war das vor meiner Pechsträhne gewesen.
    Falls Felix B, der mir gegenüber verschlafen einen Würfelzucker in seinen Kaffee rührte, tatsächlich an einem Buch schrieb, wäre Mord

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