Bezwungen von deiner Leidenschaft: Roman (German Edition)
und sehr viel weniger derangiert sein mochte als das letzte Mal, als sie mit ihm allein gewesen war. Er schien auch gereizt zu sein. Aber jede Nacht zu trinken und zu spielen kostete zweifellos seinen Preis, kostete sowohl Stimmung als auch Garderobe. Camille hoffte auch, dass er nicht wieder einen seiner Seitenblicke auf sie warf und ihre Knie zum Zittern brachte. Das würde ihr doch gewiss nicht wieder passieren?
Lord Rothewell erwartete sie in einem sonnigen Salon im rückwärtigen Teil des Hauses. Als Camille das Zimmer betrat, stand er am Fenster und schaute in den Garten hinaus, die Beine hatte er leicht gespreizt, und in der Hand hielt er eine dünne schwarze Reitgerte, mit der er ungeduldig gegen seinen Reitstiefel schlug. Die andere Hand hielt er auf dem Rücken. Als Camille ihn dort stehen sah, war sie einmal mehr überrascht, wie groß dieser Mann war.
Sie hatte angenommen, dass ihr Eindruck von seiner Größe und Breite vielleicht eine Fehleinschätzung war, hervorgerufen durch den emotionalen Aufruhr, in dem sie sich bei ihrer ersten Begegnung befunden hatte. Aber sie war sich zunehmend bewusst, dass es nicht so war. Rothewell war einfach ein großgewachsener Mann und eine dominante Erscheinung. Sein dunkler Gehrock spannte sich um einschüchternd breite Schultern, und die schwarzen Lederstiefel, in denen seine Beine steckten, waren weit höher, als die eines sterblichen Mannes es eigentlich sein sollten.
Ja, zumindest aus dieser Perspektive gab es eine Menge an ihm zu bewundern – und dennoch würde niemand ihn als elegant beschreiben, trotz seiner offensichtlich teuren Kleidung. Wenn sie diesen Zauber jetzt brach, indem sie seinen Namen sagte, würde er sich dann umwenden und sie enttäuschen? Sein Teint, das wusste Camille, war zu dunkel, sein Haar fast schwarz, und von diesem Standort aus wirkte es zu lang. In der Tat sah Lord Rothewell wie ein Mann aus, der aufs Land gehörte, denn er war einfach zu groß und wirkte zu verschlossen für das elegante Mayfair. Und aus irgendeinem Grund stockte ihr heute der Atem, als sie ihn sah.
Camille verharrte einen Moment zu lange auf der Türschwelle.
»Guten Morgen, Mademoiselle«, begrüßte er sie, ohne sich umzudrehen. »Ich hoffe, Sie sind wohlauf?«
Camille erstarrte. Dann begriff sie, dass er ihr Spiegelbild in der Fensterscheibe sah. » Oui , danke«, sagte sie kühl. »Und Sie, Monsieur?«
Er ließ die Hand sinken, die er auf dem Rücken gehalten hatte, und wandte sich um. »Ausreichend, würde ich sagen.« Seine Stimme war ein tiefes, emotionsloses Grollen. Er ging zu Camille hinüber und bot ihr seinen Arm. »Habe ich das Vergnügen eines Gartenspaziergangs in Ihrer Begleitung?«
»Mais oui.« Camille legte ihr Buch auf dem Tisch neben der Tür ab und hängte sich das Wolltuch um.
Rothewell schaute auf das Buch und zog die Augenbrauen hoch, während sein Blick über den Titel glitt: Einführung in die doppelte Buchführung . »Sie beweisen einen bemerkenswerten Geschmack bei der Auswahl Ihrer Bücher, Mademoiselle Marchand«, stellte er fest und strich mit einem Finger leicht über den Buchrücken.
Sie sah ihn gleichmütig an. »Sie würden vielleicht einen Stapel Romane vorziehen, Monsieur?«, erwiderte sie. » Après tout , Geld regiert die Welt – und vielleicht sollten die, die wenig davon haben, zumindest verstehen, wie es funktioniert?«
Zum ersten Mal erreichte sein mokantes Lächeln auch fast seine Augen. »Ah, aber Sie werden letztendlich sehr viel davon haben, wenn alles nach Plan läuft.«
» Oui , aber was nützt ein Vermögen in der Hand eines Dummkopfs?«, fragte sie. »Sollte ich wirklich so viel Glück haben, Monsieur, dann möchte ich gut mit dem umgehen können, was le bon Dieu mir gegeben hat.«
Zu ihrer Überraschung nickte er ernst. »Dann sind Sie sehr klug, Mademoiselle. Vertrauen Sie nie jemandem die Verwaltung Ihres Vermögens und Ihre Zukunft an.«
Camille sah ihn einigermaßen überrascht an. Sie hatte erwartet, dass er widersprechen würde. Wenn sie das englische Recht verstanden hatte, würde ihr Vermögen ihm gehören, wenn sie verheiratet waren. Es war ein Risiko, das sie würde wagen müssen.
Schweigend gingen sie die Stufen hinunter, und Rothewell hängte seine Reitgerte über den hinteren Torpfosten, als sie daran vorbeigingen. Im Garten wehte ein leichter kühler Wind. Der herbe Geruch von Kohlenrauch lag in der Herbstluft. Der Winter kommt, dachte Camille und warf einen Seitenblick auf Lord
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