Bezwungen von deiner Leidenschaft: Roman (German Edition)
weitaus beherrschter und weitaus weniger vorhersagbar war.
»Camille, Sie haben einmal von Ihrem Wunsch gesprochen, allein zu leben«, sprach er weiter, seine Stimme war ein tiefes, weiches Grollen. »Mir missfällt der Gedanke, denn wir leben in einer Welt der Unsicherheit. Sind Sie stark genug, allein ein Kind aufzuziehen?«
»Ich bin stark genug«, antwortete sie fest. »Zweifeln Sie nie an mir, Mylord. Ich bin stark genug. Um durchzuhalten. Um zu überleben. Um zu tun, was immer getan werden muss.«
Als sie nichts mehr sagte, führte Rothewell sie zu einer der Bänke, die in der Mitte des Rosengartens standen, und bat sie, sich neben ihn zu setzen. Ihr war durchaus aufgefallen, dass er unaufgefordert begonnen hatte, ihren Vornamen zu benutzen.
»Ich will etwas verstehen«, sagte er schließlich. »Ich will wissen, wie es dazu gekommen ist, dass Sie hier in England sind. Was zu diesem Schritt in Ihrem Leben geführt hat.«
In Anbetracht der Umstände war das keine unvernünftige Forderung. Lord Rothewell wünschte mehr über sie zu erfahren. Er würde sie heiraten. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde sie ihm ein Kind gebären. Warum also fühlte sich seine Neugier aufdringlich an? Hatte sie sich irgendwie vorgestellt, der Mann würde eines Tages einfach mit einem Geistlichen im Schlepptau bei ihr auftauchen, ohne irgendwelche Fragen zu stellen?
Und dann begriff sie, dass seine Fragen, seine Erklärungen – das alles –, eine Art von Intimität war. Das Geben und Nehmen im Zusammenleben mit einem anderen Menschen. Aber sie hatte nicht den Wunsch, ihr Leben mit jemandem zu teilen, emotional gebunden zu sein durch eine so simple Sache wie diese jetzt – den anderen kennenzulernen. Sie hatte Angst vor Lord Rothewell. Sie wollte nicht, dass er sie rettete. Sie konnte es nicht ertragen, dass ihr das Herz gebrochen werden würde, wie das ihrer Mutter gebrochen worden war. Sie wollte nur ein Kind. Etwas Eigenes, um es zu lieben. Und dann wollte sie von Rothewell und vom Rest der Welt in Ruhe gelassen werden – weil das letzten Endes die Art war, wie die Welt an sich funktionierte.
Aber Rothewell hielt ihren Blick gefangen, seine Augen irrten nicht umher, und zu ihrem Schrecken spürte Camille wieder dieses seltsame Gefühl in ihrem Bauch. Sie erkannte es durchaus als das, was es war, auch wenn sie es bisher selten empfunden hatte. Lord Kieran Rothewell war kein schöner Mann, nein. Aber er war faszinierend, mit seinen verhangenen grauen Augen und seinen strengen Gesichtszügen. Und die harte Linie seines Kinns verriet, dass er eine Antwort auf seine Frage haben wollte.
Camille senkte den Blick auf ihren Schoß. »Très bien«, sagte sie schließlich. »Was wünschen Sie zu wissen, Monsieur?«
»Ich bin mir nicht ganz sicher«, gestand er.
Flüchtig fragte Camille sich, ob diese Situation für ihn vielleicht ebenso peinlich war wie für sie.
»Ich denke, ich würde gern wissen, was zwischen Ihrer Mutter und Valigny vorgefallen ist«, sagte er. »Sie war die Countess of Halburne, nicht wahr?«
Camille nickte. »Oui, so nannte sie sich. Aber Halburne hat sich von ihr scheiden lassen, als ich zwei oder drei Jahre alt war. Vielleicht durfte sie danach diesen Namen gar nicht mehr führen?«
Rothewell zuckte mit den Schultern. »Das kann ich nicht sagen. Da, wo ich herkomme, gab es keine Scheidungen.«
»Wo Sie herkommen?« Sie sah ihn mit einiger Überraschung an. »Kommen Sie nicht von hier, Monsieur?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe mein ganzes Leben – oder fast mein ganzes – auf den Westindischen Inseln verbracht. Ich lebe erst seit knapp einem Jahr in London. Diese Stadt kommt mir noch immer seltsam vor.«
Camille dachte darüber nach. Vielleicht hatten sie und Rothewell mehr gemeinsam, als sie angenommen hatte. »Meine Mutter ist im Frühjahr gestorben«, sagte sie. »Ich denke, es ist nicht wichtig, bei welchem Namen man sie jetzt nennt.«
»Es tut mir leid, dass Sie sie verloren haben. Woran ist sie gestorben, wenn ich fragen darf?«
»Am harten Leben, Monsieur«, erwiderte Camille. »Am harten Leben, vergehender Schönheit und -vielleicht – an einem gebrochenen Herzen.«
Wieder warf er ihr sein leichtes Halblächeln zu, und Camille fragte sich, wie er wohl aussehen würde, wenn sein Lächeln das ganze Gesicht erreichte. Jünger, dachte sie.
»Ein gebrochenes Herz?«, sagte er. »Gebrochen von wem? Sicherlich nicht von Valigny?«
»Bien sûr, sie hat ihn verehrt«, sagte Camille
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