Bezwungen von deiner Leidenschaft: Roman (German Edition)
sagen, dass es sie nicht kümmerte, was die Gesellschaft von ihr dachte; nicht wenn es die Countess offensichtlich sehr kümmerte. Und so begann für Camille ein wirbelwindgleicher Erkundungsmarathon durch das elegante London – oder was davon übrig war, angesichts der Tatsache, dass das Jahr und die Saison sich dem Ende zuneigten.
Der Dienstagnachmittag galt einem Einkauf in der Oxford Street mit Lady Sharpe und ihrer Tochter Lady Louisa, die in der Nähe wohnte. Der Freitag diente einem Besuch der Royal Academy mit Lord Sharpe, einem hochgewachsenen, freundlichen Mann, der keine Ahnung von Kunst hatte, Camille aber bereitwillig überall herumführte und sie jedem vorstellte, dem sie begegneten. Zwischen diesen beiden Tagen fand eine kleine Soirée in Belgravia statt, eine Dichterlesung in Bloomsbury und ein Besuch von Kew Gardens.
Bei jeder dieser Unternehmungen stellte Lady Sharpe Camille einer endlosen Reihe neuer Gesichter vor – von denen einige – zwangsläufig – wispernd davongingen. Die von der Countess redegewandt vorgebrachte Anekdote über ihre frühere Gouvernante wurde ohne Weiteres von allen akzeptiert, aber das Thema der Eltern Camilles war unvermeidlich.
»Machen Sie sich nichts daraus, meine Liebe«, tröstete die Countess sie. »In der nächsten Saison – wenn es wirklich darauf ankommt – wird bei der Erwähnung Ihres Namens nicht einmal mehr eine Augenbraue hochgezogen werden.«
In der Tat schien Lady Sharpe jeden von Rang und Namen zu kennen und schien trotz des Geredes in der Lage zu sein, fast wie aus dem Nichts heraus Einladungen zu bekommen. Lord Rothewell mochte in der Gesellschaft als persona non grata gelten, aber seine Familie verfügte ganz gewiss über Beziehungen.
Was Rothewell betraf, so überraschte er Camille dadurch, dass er jeden Tag zu einem kurzen Besuch vorbeikam, gewöhnlich am Nachmittag. Er sagte wenig, blickte sie lediglich mit seinem grauen, glitzernden Augen an, während Lady Sharpe Tee servierte und über ihre Pläne plauderte.
Meistens sah Rothewell so ausgezehrt und grübelnd wie immer aus, was Camille an ein wütendes, eingesperrtes Tier denken ließ, und zu ihrem unbeschreiblichen Verdruss konnte sein beiläufiger Seitenblick noch immer ihren Bauch auf höchst alarmierende Weise dazu bringen zu kribbeln. Sie wünschte verzweifelt, jenen heißen verrückten Kuss zu vergessen, den sie sich in ihrem Wohnzimmer gegeben hatten, und nicht mehr daran denken zu müssen, wie sein Körper sich angefühlt hatte, als er sie so mitleidlos an die Tür gedrückt hatte.
Aber sie konnte weder das eine noch das andere vergessen, und oft konnte sie nicht einmal den Blick von diesem teuflischen Mann abwenden. Oh, es wäre nicht gut, sich in Lord Rothewell zu verlieben. Er würde ihr seinen Namen geben. Er würde ihr, sie betete darum, ein Kind zum Lieben machen. Aber niemals würde er ihr sein Herz schenken, und sie durfte nicht so schwach und so naiv sein, darauf zu hoffen.
Am Samstag wurde Camille zu einer Ausfahrt durch den Park mit Rothewells Schwager eingeladen, Lord Nash, einem Mann, der so elegant war, dass er die flottesten Pariser Dandys in den Schatten hätte stellen können. Er lenkte ein Gespann von nervösen schwarzen Wallachen vor einem Phaeton, der so zierlich und so hoch war, dass Camille fürchtete, sie könnten durch ein Schlagloch fahren und zu Kleinholz zersplittern. Aber Lord Nash erwies sich sowohl als bewundernswürdiger Kutscher als auch als ein verwandter Geist, da er selbst auch nur zur Hälfte englischer Abstammung war.
Er machte es Camille leicht, indem er von seiner Kindheit erzählte, die er auf dem Kontinent verbracht hatte, davon, wie er dem napoleonischen Chaos entkommen war, und vom Tod seines Onkels, der es erforderlich gemacht hatte, dass seine Familie nach England zurückkehrte.
»Und war es schrecklich schwer, Monsieur?«, hörte sie sich fragen. »Haben Sie sich gefühlt wie ein Fisch auf dem Trockenen?«
Er lachte. »Ja, die englische Gesellschaft war eine Herausforderung«, gestand er und lenkte das Gespann geschickt durch das Cumberland Gate. »Bis ich die Tatsache begriffen habe, dass man einfach auf den anderen herabsehen muss.«
»Herabsehen?«, wiederholte Camille.
»Genau das, herablassend sein, das ist das Einzige, was sie respektieren«, erwiderte er. »Sehen Sie, Mademoiselle Marchand, man muss sich die beau monde in etwa wie einen Pferdehintern vorstellen.«
»Einen Pferdehintern?« Camille unterdrückte ein
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