Bianca Arztroman Band 0011
und ging davon.
Mrs. Sanders sah blass und elend aus. “Wie geht es Ihnen?”, fragte Emily mitfühlend.
“Schlecht.” Sie wischte sich die Schweißperlen von der Stirn. Sie war im sechsten Monat schwanger und hatte heftige Leibschmerzen.
Emily drückte ihre Hand. “Dr. Patton wird gleich da sein. Wir warten noch auf die Laborergebnisse. Danach wissen wir mehr.” Sie fühlte noch einmal Nina Sanders’ fieberheiße Stirn. Wo blieb Will …?
Er kam wenig später und setzte sich an Ninas Bett. “Also, was ist passiert?”, fragte er. “Berichten Sie der Reihe nach.”
“Ich bekam Schmerzen, und anfangs dachte ich an Wehen. Aber sie hörten nicht mehr auf und breiteten sich aus.” Sie legte die Hand auf ihren Bauch. “Mir tut alles weh, aber rechts ist es am stärksten.”
Will betrachtete den Monitor, an den Mrs. Sanders angeschlossen war. “Dem Baby scheint es gut zu gehen”, sagte er.
Nina schloss die Augen. “Wirklich?”
“Ja.” Er begann mit einer raschen Untersuchung. Dann wandte er sich an Emily. “Haben wir schon die Laborwerte?”
“Ich sehe nach.” Emily lief ins Schwesternzimmer und zog ein paar Blätter aus einem der Fächer. Mrs. Sanders’ Werte waren dabei.
Will studierte die Ergebnisse. Er warf Emily einen viel sagenden Blick zu. Sie nickte unmerklich. Auch sie hatte die ungewöhnlich hohe Leukozytenzahl bemerkt und ahnte Schlimmes!
“Ihre Schmerzen haben mit der Schwangerschaft nichts zu tun, Mrs. Sanders”, erklärte Will. “Vielmehr tippe ich auf eine Blinddarmentzündung.”
“Was?” Nina schien schockiert. “Eine Blinddarmentzündung?”, wiederholte sie.
“Ja, das kommt bei Schwangeren öfter vor. Wir müssen operativ eingreifen. Sofort.”
“Und das Baby?”
“Wir haben einen ausgezeichneten Narkosearzt. Sie und das Baby werden den Eingriff gut überstehen.”
Nina schluckte. “Sind Sie ganz sicher, dass es der Blinddarm ist, Doktor?”
“Nicht hundertprozentig”, sagte Will ehrlich, “aber alle Werte und Symptome sprechen dafür. Eine Appendizitis ist nicht immer leicht zu diagnostizieren, und eine Schwangerschaft macht die Diagnose noch schwieriger. Aber wir können nicht abwarten, bis die Schmerzen von allein wieder verschwinden. Ein geplatzter Blinddarm während einer Schwangerschaft ist lebensgefährlich. Das dürfen wir nicht riskieren. Wir kommen um den Eingriff nicht herum.”
Nina und ihr Mann nickten schicksalsergeben, und eine halbe Stunde später wurde sie schon in den OP gerollt.
Emily ging zurück ins Schwesternzimmer auf der Suche nach Jacqueline. Endlich fand sie die junge Kollegin in der Halle, wo sie mit dem Pförtner flirtete.
“Haben Sie Mrs. Lytle erreicht?”, fragte Emily frostig.
“Ja. Sie ist unterwegs zu uns. Besonders erfreut war sie nicht. Ich habe ihr gesagt, dass Sie ihr erklären werden, wie es zu dem Versehen kommen konnte.”
Emily ärgerte sich, aber sie schwieg. “Haben Sie schon das Protokoll angefertigt?”, fragte sie scharf.
Jacqueline machte einen Schmollmund. “Welches Protokoll? Mrs. Lytle kommt rechtzeitig in den Genuss ihrer Spritze. Warum sollte ich ein Protokoll machen?”
“Weil es Vorschrift ist”, sagte Emily mühsam beherrscht. “Tun Sie, was ich sage!”
“Ich hasse überflüssige Arbeit”, erwiderte Jacqueline unwillig. “Ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir kein Protokoll brauchen.”
“Ihre persönliche Meinung steht nicht zur Debatte! Abgesehen davon kann Ihnen etwas mehr Arbeit nichts schaden!” Sie wandte sich ab und ließ Jacqueline stehen.
Zehn Minuten später traf das Ehepaar Lytle in der Klinik ein. Emily atmete erleichtert auf. Fast wäre es ein Wettlauf mit der Zeit geworden! Sie verabreichte der besorgten Mrs. Lytle die prophylaktische Gammaglobulinspritze und entschuldigte sich tausendmal für das Versehen.
“Wenn es noch rechtzeitig war, dann wollen wir die Sache vergessen”, sagte Mr. Lytle. “Wir wünschen uns nämlich noch mehr Kinder …” Er warf Emily einen skeptischen Blick zu, dem sie ruhig begegnete.
“Es war rechtzeitig, Mr. Lytle”, versicherte sie. “Ich würde mich strafbar machen, wenn ich Ihnen die Unwahrheit sagte!”
Nachdem die Lytles wieder gegangen waren, eilte Emily zu ihrem wöchentlichen Fortbildungsseminar. Als sie zwei Stunden später wieder auf Station erschien, traf sie Will und Jacqueline im Schwesternzimmer.
“O, da sind Sie ja wieder”, rief Jacqueline strahlend. “Ich habe Dr. Patton getroffen und die Gelegenheit
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