Bianca Arztroman Band 0011
im Bett nicht mehr aushielt. Sie stand auf, schlüpfte in ihren Morgenrock und nahm ihr Infusionsgerät in die rechte Hand. So gewappnet verließ sie ihr Zimmer und begab sich hinaus auf den Korridor.
Will war ganz in der Nähe. Er trug immer noch den OP-Kittel und war vertieft in eine Krankenakte.
“Hi, Will”, rief Emily schüchtern.
Er sah auf. “Du solltest im Bett liegen”, bemerkte er stirnrunzelnd.
“Es geht mir besser. Ich wollte mich etwas bewegen.”
Er lächelte. “Ja, du hast wieder mehr Farbe im Gesicht!”
Zwei Frauen gingen an ihnen vorbei. Die Ältere hielt plötzlich inne und starrte Will an. “Ich kenne Sie!” Sie trug einen teuren Designermantel, eine ebenso teure Handtasche, eine klassisch-schicke Frisur und ein perfektes Make-up.
Will schüttelte den Kopf. “Es tut mir leid, aber ich …”
Die Dame lächelte kühl. “Unglaublich! Würde ich Sie nicht mit meinen eigenen Augen sehen, hätte ich es nicht geglaubt. Sie sind doch dieser Patton-Junge, nicht wahr?”
“Ja …”
Sie nickte und kniff die Augen zusammen. “Sie sind Arzt?”
“Ja.”
“Oh Gott!” Sie wandte sich an ihre Begleiterin. “Ich hoffe nicht, dass dieser Mann meine Nichte behandelt, Mary.”
Die Frau namens Mary war offensichtlich die jüngere Schwester. Sie wirkte weicher und verbindlicher. “Nelda, was soll das?”, mahnte sie leise.
Vergeblich. Neldas Empörung steigerte sich noch. “Ich weiß, woher dieser Mann kommt! Ich weiß, wie er aufgewachsen ist! Ich würde nicht zulassen, dass er meine Tochter betreut! Und das solltest du auch nicht, Mary!”
Emily hatte die Szene mit großem Erstaunen verfolgt. “Dr. Patton ist einer unserer besten Gynäkologen”, sagte sie indigniert.
Nelda musterte sie scharf. “Sie irren sich, junge Frau! Dieser Mann kann gar kein Arzt sein! Auch wenn er hundert Namensschilder an seinem Kittel trägt!”
“Ich bin Arzt”, erklärte Will scharf.
“Das glaube ich nicht! Ich weiß, was Sie in Ihrer Jugend angestellt haben! Sie haben ihren eigenen Arbeitgeber bestohlen und standen vor dem Jugendrichter! Mit dieser Vorgeschichte wären Sie niemals zum Medizinstudium zugelassen worden.”
“Ich habe nicht vor, mich von Ihnen beleidigen zu lassen”, sagte Will entschlossen. “Wenn Sie weiterhin den Betrieb auf dieser Station stören, dann werde ich dafür sorgen, dass Sie Hausverbot bekommen.”
“Hausverbot?” Neldas Wangen röteten sich vor Empörung. “Ich sage nur die Wahrheit und fühle mich verpflichtet, die Leute vor Ihnen zu warnen.”
Das war zu viel! Emily glaubte kein Wort! Sie trat einen Schritt vor. “Ich rate Ihnen, sich jedes Wort gut zu überlegen, Madam! Sie riskieren eine Verleumdungsklage.”
“Mischen Sie sich nicht ein! Das geht Sie überhaupt nichts an”, rief Nelda unwirsch.
“Oh doch”, erwiderte Emily fest, “Sie versuchen, nicht nur einen guten Arzt zu diskriminieren, sondern auch den Ruf meines Verlobten!”
7. KAPITEL
Nelda starrte sie an. Ihre Lippen öffneten sich, aber Emily ließ sie nicht zu Wort kommen.
“Dr. Patton ist ein angesehenes Mitglied unserer Stadt”, fuhr sie heftig fort. “Wie können Sie es wagen, hierherzukommen und ihn öffentlich bloßzustellen? Will ist einer unserer besten Fachärzte. Was immer auch in seiner Jugend geschehen sein mag, interessiert hier niemand! Es ist vorbei und vergessen. Ich bin sicher, dass man auch bei Ihnen ein paar dunkle Flecken entdeckte, würde man danach suchen! Mit anderen Worten, kümmern Sie sich um Ihre eigenen Belange!”
Nelda schnappte nach Luft! “Ich … ich bleibe keine Minute länger in diesem Gebäude!”, rief sie. “Ich habe es nicht nötig, mich von einer dummen, aufgeblasenen Gans herunterputzen zu lassen!”
Emily war in Kampfstimmung und entschlossen, sich nicht einschüchtern zu lassen. Mutig trat sie noch einen Schritt vor, aber Will hielt sie zurück.
“Geh in dein Zimmer”, sagte er leise, aber bestimmt.
“Aber Will …”
“Bitte!”
Sie gab nach und zog sich zurück. Aber bevor sie ihr Zimmer erreichte, sah sie noch, dass Nelda schon ungeduldig am Fahrstuhl stand, während sich Mary offensichtlich bei Will entschuldigte.
Emily war zu aufgeregt, um sich ins Bett zu legen, und als Will endlich ihr Zimmer betrat, wanderte sie immer noch unruhig hin und her, das Infusionsgerät in der Hand.
“Du warst großartig”, sagte er anerkennend. “Allerdings hatte ich keine Ahnung, wie weit du gehen würdest! Ich hätte mich nicht
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