Bianca Arztroman Band 0011
sah, wie geschickt und ruhig Anna reagierte. Sie intubierte, wo es nötig war, als hätte sie jahrelang nichts anderes getan und versorgte die verletzten Männer mit Sachverstand und Kompetenz. Es kam darauf an, eine gute Erstversorgung zu garantieren, bis die Verletzten soweit stabilisiert waren, dass sie auf die Spezialstation gebracht werden konnten.
Auch Albert musste stationär aufgenommen werden. Das Röntgenbild entlarvte eine verdächtige Geschwulst am Dickdarm, sodass sich Petes Befürchtungen zu bestätigen schienen.
“Pete, können Sie bitte einen Blick auf meinen Patienten werfen”, bat Anna. “Er hat zwar nur Verbrennungen ersten bis zweiten Grades, aber die Brandwunden sind hauptsächlich an seinen Händen und Unterarmen, und ich befürchte, dass die Schwellung die Blutzirkulation behindert.”
“Okay, er kommt sofort auf Station! Ich kümmere mich darum. Gehen Sie bitte in Kabine zwei. Dort liegt ein Mann mit großen Brandblasen. Öffnen Sie die Blasen, reinigen Sie die Wunden, und legen Sie Brandverbände an. Blutdruck und Puls waren bis jetzt stabil, aber vergessen Sie nicht, regelmäßig zu kontrollieren!”
Sie nickte nur leicht mit dem Kopf und ging davon. Ohne eine Spur von Panik oder Hektik. Sie war ganz gelassen. Er mochte das. Er hatte nicht viel übrig für aufgeregte Hühner in seiner Abteilung! Das besorgten die Patienten! Ärzte und Schwestern mussten in der Lage sein, die Nerven zu behalten. Cool zu bleiben, auch wenn der Teufel los war!
Anna blieb cool, fand er. Cool und sehr geschickt. Er sah zu, wie sie die Brandwunden versorgte, die Blasen öffnete, routiniert und sicher. Keine überflüssigen Handgriffe. Er konnte mit ihrer Arbeit zufrieden sein. Bis jetzt …
Es war schon nach zwei, als endlich etwas Ruhe einkehrte. Die Feuerwehrmänner waren versorgt, und auch Sandy, die Asthmapatientin, konnte nach erfolgreicher Therapie nach Hause geschickt werden.
“Lunchtime”, rief Pete, als Anna ihren OP-Kittel auszog und in den Wäschekorb warf. “Haben Sie Hunger und Durst? Wir können in die Kantine gehen und die Arbeit des Vormittags besprechen.”
“Gern. Aber ich brauche nur einen Kaffee. Ich habe mein Lunchpaket von zu Hause mitgebracht.”
Sie gingen nebeneinander in Richtung Kantine. Pete stellte fest, dass sie denselben Schrittrhythmus hatten. Oder versuchte Anna nur, sich seinem Schritt anzupassen? Er konnte sich nicht erinnern, dass er sich jemals den Schritten einer neben ihm gehenden Frau angepasst hätte. So etwas taten Männer nicht!
Merkwürdig! Sie hatten einen anstrengenden Vormittag hinter sich, und seine Gedanken kreisten um den Schrittrhythmus von Männern und Frauen! So etwas war ihm noch nie passiert. Was hatte diese Anna Crane, dass sie derlei Ideen in seinen Kopf setzte! Ob es ihr Parfüm war, das seinen Verstand benebelte?
Was hatte diese Frau vor? Wen wollte sie beeindrucken?
Bei mir ist sie jedenfalls an der falschen Adresse! Ich stehe als Ehekandidat nicht zur Verfügung! Schon gar nicht für eine Frau, die zwei Männer verschlissen hat!
Trotzdem ließ sie ihn nicht gleichgültig. Sie sah gut aus, aber viele Frauen sahen gut aus! Er kniff die Augen zusammen und beobachtete, wie sie ihr Lunchpaket öffnete.
“Warum wollen Sie unbedingt Junggeselle bleiben?”, fragte sie plötzlich, ohne ihn anzusehen, und dabei klang ihre Stimme so unpersönlich, als ginge es um eine alltägliche, aber sehr banale Sache.
Er erschrak. Konnte sie etwa Gedanken lesen? Es sah fast so aus … Er räusperte sich kurz. “Ich arbeite als Notfallarzt”, erinnerte er. “Sie wissen, was das bedeutet. Stress. Hektik. Lange, unvorhersehbare Arbeitsstunden. Kaum der richtige Job, um eine Familie glücklich zu machen, nicht wahr?”
“Das sagt Ihr Verstand”, erwiderte sie und lächelte flüchtig. “Was ist mit Ihren Eltern? Bestehen Sie nicht auf Enkelkindern?”
“Sie haben Enkelkinder! Mehr als genug! Ich habe noch fünf Geschwister, die alle sehr aktiv in dieser Hinsicht sind.”
Sie riss die Augen auf. “Sie waren zu sechst! Unglaublich! Hatten Sie eine glückliche Kindheit?”
Er zog die Brauen zusammen. “Sicher. Warum nicht? Okay, heutzutage ist es schick, eine unglückliche Kindheit zu präsentieren, aber damit kann ich nicht dienen! Ich habe kein Trauma erlitten, bin weder missbraucht noch geschlagen worden, war gesund und fröhlich und normal! Die größten Katastrophen bewegten sich durchaus im Rahmen und fanden statt, als ich in der Pubertät
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