Bianca Arztroman Band 0011
auf. Ich habe ihnen meine Telefonnummer da gelassen. Janice, das ist der Name der Tochter, hat versprochen anzurufen, falls sich ihre Mutter doch noch anders entscheidet. Sie haben bei Ihrem Vorschlag an
Crystal Creek
gedacht, nicht wahr?”
“Ja. Kennen Sie den Ort? Sie sind von hier? Sorry, eigentlich müsste ich das wissen …”
Sie winkte ab. “Sie waren übermüdet, als ich mich vorstellte. Ihr Drei-Tage-Bart, nicht wahr? Nein, ich bin nicht von hier, um Ihre Frage zu beantworten. Aber ich wohne seit vier Jahren hier, und ich habe in
Crystal Creek
ausgeholfen, wenn ich Zeit hatte.”
Ihm wurde unheimlich. Also doch eine moderne Florence Nightingale? Auf jeden Fall eine Powerfrau! Die perfekte Mutter mehrerer Kinder und ganz nebenher noch ein Musterbeispiel an lokaler Solidarität und Nächstenliebe! Wo blieb da der Ehemann? Die Ehemänner! Gab es überhaupt noch Platz für sie in diesem Whirlpool von Güte und Menschlichkeit?
Er war mehr als durcheinander! Aber als er sie wenig später wieder in einer der Kabinen antraf, wo sie sorgfältig und kompetent einen neuen Patienten behandelte, da begann er sich zu fragen, ob seine gemischten Gefühle ihr gegenüber sein eigenes Problem waren. Vielleicht war er irritiert, weil er sich für sie interessierte!
Und das gegen seinen Willen!
Sie war ein Heiratsfan! Er war der klassische Single. Zwei unvereinbare Gegensätze! Der Fall war glasklar! Finger weg! Nichts beginnen, wo Kummer und Scheitern schon vorprogrammiert waren!
Ende der Fantasien! Punkt. Aus.
Gegen sechs kam er in ihre Kabine, wo sie gerade eine Platzwunde vernähte. Ein Kind war durch eine Scheibe gefallen und hatte sich am Oberarm geschnitten.
“Schichtwechsel!”, rief er. “Ich verschwinde! Bis morgen!”
Sie nickte, lächelte und widmete sich wieder dem Kind.
Er war immer noch irritiert. Beschloss, sich in der Nähe seiner Wohnung in ein Pub zu setzen und ein Bier zu trinken. Und Anna Crane aus seinem Kopf zu verbannen!
“Ist Dr. Crane in der Nähe?”, fragte ein junger Mann mit schulterlangen, wirren Lockenhaaren und sah sich suchend um. “Sie arbeitet hier.”
Pete registrierte den kleinen silbernen Ring in seiner Augenbraue. Er verstand die Manie der Jugendlichen nicht, sich an den unmöglichsten Stellen piercen zu lassen! Ein jüngeres Mädchen, vermutlich die Schwester, gesellte sich dazu, nachdem sie eine Weile sein Poster betrachtet hatte und jetzt dabei war, ohne Scheu den Vergleich zwischen Foto und Realität zu ziehen!
“Dr. Crane ist beschäftigt”, erklärte er. “Vielleicht kann ich euch helfen. Ich bin Dr. Peter Jackson.”
“Sie sind Ihr Boss, richtig?” Der Junge warf dem Mädchen einen viel sagenden Blick zu. “Der
Playboy des Monats
, Jackie!”, erklärte er halb bewundernd, halb warnend.
Pete verkniff sich das Lachen. “Und wer seid ihr?”, fragte er neugierig.
“Ich bin Josh, und das ist meine Schwester Jackie. Josh und Jackie Crane. Anna ist unsere Stiefmutter.”
Eine offene Frage weniger, dachte Pete pragmatisch. Anna hatte also zwei halbwüchsige Stiefkinder.
“Die Sache ist schwieriger, als wir dachten”, unterbrach Jackie seine Gedanken. “Vielleicht können Sie uns weiterhelfen?”
“Welche Sache?”, fragte Pete mit wachsendem Interesse.
Es war Josh, der antwortete. “Die Sache mit Anna! Wir haben unsere Hoffnung auf ihren neuen Job gesetzt”, erklärte er.
Pete runzelte verständnislos die Stirn, und Josh nahm einen neuen Anlauf.
“Um es kurz zu machen”, sagte er, “Jackie und ich wären sehr froh, wenn Anna wieder heiraten würde!”
Das junge Mädchen nickte zustimmend. “Ja, und wir dachten, dass es ganz einfach ist, wenn sie erst wieder unter Leute kommt! Aber ich glaube, wir haben uns geirrt. So leicht scheint es doch nicht zu sein!”
“Ich gehe nächstes Jahr auf die Uni, und Jackie ein paar Jahre später”, fuhr Josh fort. “Anna wird plötzlich allein sein. Und das wollen wir nicht. Andererseits können wir nicht ewig zu Hause bleiben! Aber wir würden uns besser fühlen, wenn wir wüssten, dass Anna nicht allein ist. Wir wollen verhindern, dass sie im Alter einsam und verlassen dasteht!”
Pete musste sich zusammenreißen, um nicht laut los zu prusten! Ob Anna etwas von den düsteren Zukunftsvisionen ihrer Kids ahnte? Sie war eine junge Frau in ihren besten Jahren, die noch gut drei Jahrzehnte vor sich hatte, ehe der Gedanke ans Alter in realistische Nähe rückte!
“Andererseits ist sie noch jung genug,
Weitere Kostenlose Bücher