Bianca Arztroman Band 0031
mütterlichen Wesen einzustellen? Das wiederum waren seine Vorstellungen gewesen, als er mit Kate telefoniert hatte. Die junge Frau, die er jetzt musterte, hatte große braune Augen, war nur wenig größer als ein Meter fünfzig und ganz sicher noch in den Zwanzigern. Sie wirkte überhaupt nicht mütterlich, sondern eher zerbrechlich und so, als ob sie selbst bemuttert werden müsste. Ethan Flett ging zurück hinter seinen Schreibtisch.
“Stimmt etwas nicht mit mir, Dr. Flett?”, fragte Kate irritiert.
Ihre Stimme klang anders, als er sie von dem Telefonat in Erinnerung hatte. Tief und sanft, wie Wasser, das über einen glatten Stein glitt. Ich muss verrückt geworden sein, dachte Ethan Flett und riss sich von diesen Gedanken los.
“Schwester Rendall, nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich offen mit Ihnen spreche. Aber Sie erscheinen mir nicht so … robust, wie ich Sie mir vorgestellt hatte.”
“Robust?”, fragte Kate erstaunt.
Er nickte. “Die Pflege eines Kindes mit Mukoviszidose ist keine Kleinigkeit. Dazu kommt, dass meine Tochter”, er zuckte bedauernd die Achseln, “gelegentlich recht anstrengend sein kann.”
“Wer ist das nicht in diesem Alter.” Kate lächelte.
Ethan sah auf ihre schön geschwungenen Lippen und den verführerischen Mund. Ich bin ganz offensichtlich durchgedreht, stellte Ethan Flett im Stillen fest, als er sich wieder dabei ertappte. Was hatte diese viel zu dünne Person an sich, dass er hier saß und das Bedürfnis verspürte, sie in die Arme zu schließen und zu beschützen? Ihre schönen braunen Augen allein konnten es doch nicht sein. Keine Frage: Diese Frau mit ihrem dichten schwarzen, zu einem frechen Bop geschnittenen Schopf wirkte auf ihn äußerst anziehend.
Ethan schüttelte den Gedanken ab. Wahrscheinlich war es einfach nur die verdammte Müdigkeit. Er konnte sich nicht erinnern, in der letzten Zeit ruhig geschlafen zu haben. Seine Hoffnung war diese Stellenanzeige für eine Krankenschwester gewesen, die ihm ein wenig die Last der Verantwortung abnehmen sollte. Nicht dass Jodie eine Last für ihn war … bewahre. Aber es war die Sorge um sie. Und jetzt stellte er fest, dass er, anstatt es sich leichter zu machen, dabei war, sich ein weiteres Problem aufzuladen. Vielleicht war es das Beste zu versuchen, diese Schwester Rendall wieder loszuwerden. Nur wie? Sein Blick fiel auf den Ehering an ihrer Hand.
“Ich weiß nicht recht, ob das hier das Richtige für Sie ist. Wenn Sie verheiratet sind …”
“Ich bin verwitwet, Dr. Flett”, erwiderte Kate.
Ethan Flett schluckte. Das hätte er ahnen müssen. Der leicht gehetzte Ausdruck, der Anflug von Bitterkeit in den Zügen … all das hatte er oft genug an sich selbst beobachtet, seit Gemma gestorben war. Er machte sich klar, dass er sie, nur weil seine Gedanken für einen Moment auf Abwege geraten waren, nicht einfach wieder wegschicken konnte. Aber ausgerechnet dieses verschüchterte Persönchen sollte einen pubertierenden Teenager von Jodies Temperament im Zaum halten? Er konnte nur hoffen, dass sie im gegebenen Fall aus ihrem Scheitern die Konsequenzen ziehen würde, bevor er das musste. Mit einem Seufzer langte er in eine Schreibtischschublade. Martin hatte ihn davor gewarnt, jemanden einzustellen, ohne sich vorher mit eigenen Augen ein Bild von der betreffenden Bewerberin zu machen.
“Ich habe hier einige Verhaltensrichtlinien für Jodie, die ich vor vier Jahren selbst ausgearbeitet habe”, sagte Ethan Flett und zog einen Schnellhefter hervor. “Sie gehen zugegebenermaßen ziemlich ins Detail. Aber sie haben sich für Jodie bewährt. Deshalb wäre es mir wichtig, dass in keiner Weise davon abgewichen wird.”
Kate überflog die Seiten und sah ihn an, als sie den Ordner durchgeblättert hatte. Sie war sichtlich perplex. “Sagten Sie nicht, Ihre Tochter sei vierzehn, Dr. Flett?”
“Sie wird fünfzehn nächsten Monat, am 26. Juli.”
“Warum macht sie dann keine selbstständigen physiotherapeutischen Übungen? In ein paar Jahren geht sie vielleicht auf ein College, irgendwann wird sie anfangen zu arbeiten …”
“Daran ist in ihrer Verfassung überhaupt nicht zu denken”, unterbrach er sie, “weder an das eine noch an das andere.”
“Aber …”
“Schwester Rendall, meine Tochter ist … ein für alle Mal … noch längst nicht soweit, dass sie in einer so lebenswichtigen Sache wie ihrer Physiotherapie sich selbst überlassen werden könnte.”
Kate wollte etwas erwidern. Aber sie
Weitere Kostenlose Bücher