Bianca Arztroman Band 0031
“Ich werde wohl bei Rhona in der Küche essen. Ich nehme an, dein Vater und euer Besuch wollen sich ungestört unterhalten.”
“Wieso denn? Du isst doch immer mit uns. Daddy möchte auch, dass du das tust.”
“Außerdem ist meine Anwesenheit beim Essen ja auch nicht so wichtig”, fuhr Kate fort. “Rhona kennt deine Diät, und du kennst deine Vitaminpillen und die Enzyme, die du zum Essen nehmen musst.”
“Ja, ja, ja, weiß ich alles.”
“Na also, du brauchst mich doch gar nicht”, meinte Kate und lächelte freundlich.
“Da hast du vielleicht sogar Recht”, versetzte Jodie ärgerlich und rauschte aus dem Zimmer. “Eines kann ich dir jetzt schon sagen”, rief sie aus der Tür noch zurück, “Daddy wird es bestimmt nicht gefallen, wenn du in der Küche isst.”
Na und? dachte Kate rebellisch. Um ihre Eintragungen zu machen, würde sie etwa eine Stunde brauchen. Dann würde sie rasch eine Kleinigkeit essen und hätte anschließend ein wenig Zeit für sich in der schönen Gewissheit, dass Ethan Flett nicht plötzlich auftauchen konnte, wie das eine seiner typischen Angewohnheiten war. Für einen viel beschäftigten Autor nimmt er sich für solche Stippvisiten eigentlich erstaunlich viel Zeit, dachte Kate. Obwohl sie andererseits nachvollziehen konnte, dass er sich Sorgen machte und vielleicht deshalb häufiger nach dem Rechten sah. Vor allem musste Kate sich aber eingestehen, dass Ethan in ihr regelmäßig eine eigenartige, tiefe Verwirrung auslöste, sobald er auftauchte.
In weniger als einer Dreiviertelstunde war Kate mit ihren Eintragungen fertig. Sie fuhr rasch mit der Bürste durch ihr Haar und ging nach unten. Am Treppenabsatz erwartete sie bereits Ethan mit ernster Miene.
“Was muss ich hören, Kate? Sie wollen heute in der Küche essen?”, fragte er. “Das können Sie mir doch nicht antun.”
“Antun?”, fragte Kate verständnislos. “Ihre Schwester ist zu Besuch, und ich dachte …”
“Meine Schwester hat nur zwei Gesprächsthemen. Und von beiden will ich heute nichts hören.”
Kate musste lachen. “Mit anderen Worten: Sie brauchen mich zu Ihrem persönlichen Schutz.”
“Genauso ist es”, rief Ethan aus. “Kate, ich flehe Sie an, lassen Sie mich nicht im Stich.”
Kate legte den Kopf ein wenig auf die Seite. Sein besorgter Gesichtsausdruck amüsierte sie. “Wie könnte ich. Ich habe selbst einen Bruder, dem ich lieber aus dem Weg gehe.”
Ethan kam sich ein wenig gemein vor, als er ihr durch die Halle folgte. Wer ihn wirklich kannte, wusste, dass er jederzeit mit seiner Schwester Di fertig wurde, auch wenn sie mitunter das Gemüt einer Dampfwalze an den Tag legte. Der wahre Grund dafür, dass er darauf bestand, sie bei den Mahlzeiten der Familie dabeizuhaben, war ein anderer. Er hatte insgeheim gehofft, er würde mit der Zeit feststellen, dass Kate etwas offenbarte, was gegen sie sprach. Dann hätte er dieses irritierende Gefühl loswerden können, das ihn verfolgte, seitdem sie sich das erste Mal gesehen hatten. Hätte sie irgendetwas an sich, das ihn extrem störte, wäre die Sache erledigt. Seine Taktik bewirkte jedoch das genaue Gegenteil. Er fand sie mit jedem Tag liebenswerter und netter, und besonders entzückte ihn die Art, in der sie die Nase ein wenig krauszog, wenn sie lachte.
“Da seid ihr ja endlich”, begrüßte sie eine groß gewachsene, kräftig gebaute Frau mit stahlblauem Haar, als sie den Speisesaal betraten. “Ich dachte schon, ihr kommt überhaupt nicht mehr.”
“Es tut mir leid, Di, aber ich hatte noch ein paar Druckfahnen zu korrigieren und …”
“Um dich geht es gar nicht, kleiner Bruder”, unterbrach ihn die Frau. “Dich kann ich alle Tage sehen. Diese junge Dame wollte ich endlich einmal kennenlernen, Jodies neue Krankenschwester.” Sie musterte Kate von oben bis unten und schüttelte den Kopf. “Meine Güte, Sie sind ja bloß Haut und Knochen.”
“Di, ich denke nicht, dass …”
“Das hast du doch noch nie getan.” Die Besucherin ließ sich nicht beirren. “Das Mädchen hier ist einfach zu dünn, und ich bin sicher, sie nimmt es mir nicht übel, wenn ich ihr das offen sage.”
Kate konnte sich ihr Lachen kaum verkneifen. “Ganz bestimmt nicht.”
“Na bitte”, sagte die resolute Frau zu ihrem Bruder, der sie missbilligend ansah, “wenn Kate nicht beleidigt ist, warum solltest du es sein? Übrigens, was gibt es zu essen? Ich komme fast um vor Hunger.”
Während des Essens versuchte Kate, so gut sie konnte, Wort
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