Bianca Arztroman Band 0031
hervor.
Das Umwerfendste war allerdings der Kopfschmuck. Zwei geschwungene Hörner, die auf einem Helm befestigt waren, saßen auf seinem Kopf, als hätten sie schon immer dort hingehört. Während Lafe auf ihren Tisch zukam, ertönten aus der Menge Beifallsrufe.
Zwanglos machte er eine Verbeugung. Er nahm eine Klinge von seinem Gürtel und fuchtelte damit komisch um sich, ganz zur Belustigung von Suzannahs Neffen.
“Sei gegrüßt, Mädel”, sagte er und setzte sich auf eine der Holzplanken. Während er sich vor ihren Verwandten verbeugte, fügte er anerkennend hinzu: “Familie Harding.”
“Ich kann es nicht fassen”, wandte sich Suzannah an ihn. “Wo hast du die Kleidung aufgetrieben?”
“Ich habe auf meinem Dachboden gestöbert. Ich war früher schon auf ähnlichen Veranstaltungen, das habe ich doch erzählt … damals auf den Irrwegen meiner Jugendzeit. Aber dafür kenne ich mich jetzt aus.”
“Du scheinst dich mit allem gut auszukennen.”
“Nicht mit allem”, antwortete er mit gesenkter Stimme. “Zum Beispiel weiß ich nicht, wie ich mit einer attraktiven englischen Ärztin umgehen soll, die mir gegenüber launisch geworden ist.”
Suzannah sah ihn voller Widerspruch an. “Es tut mir so leid, wenn du den Eindruck hast, Lafe, denn so ist es nicht. Mich hat etwas beschäftigt, ja. Aber ich möchte nicht, dass es zwischen uns steht.”
“Was ist es?”, wollte er wissen.
Sie schüttelte den Kopf. “Nichts. Es ist vergangen und vergessen.” Suzannah wusste, dass das eine Wunschvorstellung war. Aber Zeit verging, und Nigel war noch nicht wieder aufgetaucht, also möglicherweise …
“Wir können also dort weitermachen, wo wir aufgehört haben?”, fragte Lafe mit einem Blick, der ihr zu verstehen gab, dass er auf der Stelle beginnen wollte.
“Wenn die Zeit reif dafür ist, ja”, antwortete sie lachend. “Aber bitte ohne den Bart.”
“Wenn es so ist wie beim letzten Mal, als ich dich in meinen Armen hielt, habe ich gar nichts an, auch keinen Bart”, neckte er.
In dem Moment schlug ein junger Wikinger den mächtigen bronzenen Gong und eröffnete das Buffet, sodass Suzannah darauf nicht mehr antworten konnte. Es gab den immer sehr begehrten Elch-Eintopf, eine große Platte mit gepökeltem Rindfleisch, das bei den Bewohnern Neufundlands ebenfalls sehr beliebt war, und über dem Feuer drehte man ein Schwein am Spieß.
Gerichte von frischem Fisch wurden auf einem separaten Tisch angeboten. Als sie mit ihrem Essen zurück an den Tisch gingen, flüsterte Debbie: “Lafe liebt dich auch, nicht wahr?”
Suzannah lächelte reuevoll. “Ja. Ich glaube, das tut er. Aber Lafe liebt die Person, von der er glaubt, dass ich sie bin. Wenn er mein wahres Ich entdeckt, ändert er vielleicht seine Meinung.”
“Du vergeudest zu viel Zeit damit, dir über Vergangenes Gedanken zu machen”, rügte ihre Schwägerin. “Er sieht doch dich, wie du wirklich bist. Ein einziger Fehler verwandelt eine sorgende Ärztin nicht in ein Monster.”
“Das versuch einmal, den Eltern eines toten Kindes zu erklären”, sagte sie angespannt, und darauf hatte Debbie keine Antwort.
Sie hatten gegessen und diverse seltsame Getränke zu sich genommen. Später wurde sogar noch getanzt. Dann war es Zeit zu gehen. Die Jungs gähnten. Und als Debbie und John die Kinder aus dem Zelt steuerten, fragte Lafe: “Kommst du mit mir, Suzannah?”
“Ja”, antwortete sie, als wäre es das Normalste der Welt. Und das war es auch. Lafe war wie ein Magnet, der sie mit großer Kraft anzog, und dem sie nicht entkommen wollte.
Als sie kurz darauf vor dem Haus hielten, hatte es den gleichen beeindruckenden Effekt auf Suzannah wie damals. Es leuchtete weiß und vom Ende des Gartens her erklang das Schwappen des Meerwassers.
Aber dieses Mal sah sie den mächtigen Ozean mit anderen Augen. Dort war Nicolette ertrunken, die Schwester, die Lafe so geliebt hatte. Es war nicht verwunderlich, dass Lafe Schwierigkeiten hatte, sich hier niederzulassen.
Trotz der Tragödie, die sich damals ereignet hatte, fühlte sich Suzannah zu dem Haus hingezogen. Sie konnte es sich gut vorstellen, mit Lafe hier zu leben, ihn zu lieben und die ihn treibenden Geister zur Ruhe zu legen. Doch dafür war sie die falsche Person. Sie konnte ja mit ihren eigenen Albträumen nicht umgehen!
Er hatte den Ausdruck in ihrem Gesicht bemerkt, und als sie Seite an Seite auf der Auffahrt standen, mit warmen Vliespullovern über den Kostümen, sagte er wissend:
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