BIANCA EXKLUSIV Band 0171
Schritte ertönten, verstummten kurz, dann kam Sebastian pfeifend die Stufen hinauf.
Monty hielt den Atem an. Nein, Sebastian konnte es nicht sein. Gerade eben hatte er sie beschützt und in den Armen gehalten. Sie spürte die Wärme noch. Der Rücken ihrer Bluse war feucht von seinem nassen Hemd. Ihr Herz klopfte noch, denn er hatte sie nicht nur festgehalten, sondern sie an sich gepresst … wie ein Liebhaber. Sebastian war ihr Retter. Sie war ganz sicher. Doch als er jetzt nach oben kam, je einen Koffer unter dem Arm und in der Hand, wurde sie unsicher.
„Sie hätten nicht auf mich warten müssen“, sagte er. „Ich bringe das Gepäck in Ihre Zimmer.“ Er bemerkte Eves blasses Gesicht und stellte die Koffer ab. „Ist etwas passiert?“
Charlotte schnaubte. „Sie hat die Statue umgestoßen.“
Seb ging in die Knie und strich erst über den Engel, dann über den Marmorsockel. Und erst jetzt sah er Monty an. „Sind Sie verletzt?“
„Nein. Mein Schutzengel muss in der Nähe gewesen sein.“
„Sie haben Glück gehabt, Mademoiselle O’Halloran. Haben Sie ein Schreck gekriegt?“
„Sollte ich das?“
Er lächelte nur.
Monty griff nach der Laterne. „Geben Sie sie mir. Sie sind zu schnell für Miss Carlisle.“
Charlotte ließ die Laterne nur zögernd los.
„Hier entlang?“, fragte Monty.
„Ja, aber bleiben Sie bei mir. Es kommt noch eine Treppe.“
Eve folgte Charlotte. Monty blieb stehen, um Sebastian den Vortritt zu lassen.
„Ich werde hinter Ihnen gehen, Mademoiselle, und Sie vor den Engeln beschützen“, sagte er.
Monty lief es kalt den Rücken herunter. Es war eine Mischung aus Angst und Erregung. Sie war erst kurz in diesem verlassenen Schloss und war bereits einem Geist, einem geheimnisvollen Gärtner und einem Schutzengel begegnet.
Oder war es ein und dieselbe Person?
2. KAPITEL
Seb begleitete Eve und Monty in eins der sechzehn Schlafzimmer des Schlosses. Unter der hohen Decke wirkte das Himmelbett trotz seiner Größe klein und verloren. Die wenigen anderen Möbel waren im Raum verteilt, als sollten sie darüber hinwegtäuschen, dass so viele fehlten. Das Zimmer roch unbenutzt und nach Reinigungsmitteln.
Sie bringt nichts als Ärger, dachte Seb. Warum musste sie ausgerechnet heute auftauchen?
„Sie schlafen hier, Miss Carlisle.“ Charlotte zeigte auf eine Verbindungstür. „Und Ihre Sekretärin dort. Gleich nebenan.“
„Es ist so … groß.“
Seb musterte die vermeintliche amerikanische Erbin. Sie war blass, die Augen blau, das Haar braun. Vielleicht ist sie ganz hübsch, dachte er, hübscher als ihre Sekretärin … wenn man Perlen Rubinen vorzieht. Aber Mademoiselle O’Halloran ist ein echter Kontrast zu ihrer Arbeitgeberin. Sie bringt Farbe und Leben in das Schloss. Und Probleme.
Monty stellte die Laterne auf einen Tisch und sah sich um. „Nicht gerade das Ritz, was?“
Er unterdrückte ein Lächeln. Die kleine Sekretärin liebte also den Luxus. Vielleicht konnte er das ausnutzen.
„Wo soll ich Ihr Gepäck hinstellen, Mademoiselle Carlisle?“, fragte er die Erbin.
„Irgendwohin, danke“, erwiderte sie mit leiser, schüchterner Stimme und sah sich im Schlafzimmer um, als wäre es eine Folterkammer.
„Stellen Sie die beiden Taschen vor die Kommode“, befahl Monty. „Und die anderen hier hinein.“
Sie hatte die Verbindungstür geöffnet und sah in den nur vom grauen Mondschein erhellten Nebenraum. Sie ging hinein, und als Seb ihr mit den Taschen folgte, riss sie die Balkontür auf und sah in die Nacht hinaus. Dann lachte sie sanft. Für ihn klang es wie das Schnurren einer Katze. Als er an ihr vorbeiging, nahm er ihren berauschenden Duft wahr. Der Wunsch, sie zu packen und an sich zu drücken, kam urplötzlich. Nur mit Mühe beherrschte er sich und schloss die Tür wieder. „Es ist besser, die Feuchtigkeit draußen zu lassen, Mademoiselle.“
Sie sah ihn an. Ihr Blick war herausfordernd. „Wie bitte?“
„Es regnet. Im Freien ist der Regen nützlich, im Haus richtet er Schaden an.“
„Danke für die Aufklärung“, erwiderte sie und öffnete die Tür wieder. „Aber ich brauche frische Luft.“
Seb unterdrückte seinen Ärger. Dieses Schloss war vor Jahrhunderten errichtet worden und hatte den zerstörerischen Kräften von Krieg, Revolution und menschlicher Unvernunft widerstanden. Jetzt kam diese Frau und setzte es den feindlichen Elementen aus. „Mademoiselle“, sagte er scharf, „Sie haben sich vorhin darüber beschwert, wie kalt es hier
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