BIANCA EXKLUSIV Band 0171
eine Hand auf die Schulter. „Ich wollte dich nicht erschrecken. Sieh mich an. Sehe ich krank aus?“
Devon sah seinen Bruder ernst an. Er stand in der Blüte seiner Männlichkeit, sein Körper war schlank und muskulös, sein Gesicht faltenlos. Aber eindeutig stand er unter Stress.
„Entschuldige, wenn ich in letzter Zeit etwas kurz angebunden war“, sagte Michel. „Aber auch ich bin manchmal angestrengt.“
„Ich glaube, ich sollte doch mehr Interesse für die Staatsaffären zeigen“, meinte Devon. „Dann könnte ich dir einen Teil der Bürde abnehmen.“
„Das wäre nett“, entgegnete Michel trocken.
„Ich bessere mich. Jedenfalls werde ich es versuchen.“
„Ich auch. Dass ich unsere Gäste vernachlässigte, ist mir gar nicht bewusst geworden. Zwar kann ich nicht versprechen, ebenso viel Zeit wie am Anfang mit euch zu verbringen, aber gelegentlich schließe ich mich euch an.“
Michel saß schon am Tisch und las die Morgenzeitung, als die anderen drei zum Frühstück erschienen.
„Hallo, Fremder“, begrüßte Marcie ihn fröhlich. „Lange nicht gesehen.“
Shannon hätte sich über sein Fernbleiben in den letzten Tagen nicht geäußert, aber ihre Cousine sah keinen Grund, es nicht zu tun.
Michel erklärte, er habe sich mit neuen Gesetzen befasst, sei aber nun wieder in der Lage, eine Arbeitspause einzulegen. Sie scherzten und plauderten eine Weile ganz unbefangen miteinander, als wäre nichts gewesen.
„Ich habe einen Vorschlag“, verkündete Michel schließlich. „Da wir in der Stadt schon die meisten Sehenswürdigkeiten gesehen haben, dachte ich, ihr hättet vielleicht Lust, ein Picknick in unserem Landhaus zu machen und dort den Tag zu verbringen. Auch die Fahrt ist angenehm. Früher verbrachte unsere Familie dort oftmals die Ferien mit Wandern und Fischen.“
„Das klingt großartig“, stimmte Shannon freudig zu. „Mein Vater hat mich auch häufig zum Fischen mitgenommen.“
„Ein Ja haben wir. Stimmt ihr beide auch zu?“ Michel sah Marcie und Devon an.
Aber Marcie und Devon hatten beschlossen, eine Hundeschau mit anschließender Party zu besuchen. Die beiden Paare einigten sich rasch, für diesen Tag getrennte Wege zu gehen. Zum gemeinsamen Dinner wollten sie dann wieder auf dem Schloss zusammenkommen.
„Zieh Jeans und bequeme Schuhe an“, riet Michel Shannon. „Ich sage Jennings Bescheid, damit er uns einen Picknickkorb vorbereitet.
Zuerst war Shannon erfreut, weil das Problem zur allgemeinen Zufriedenheit gelöst war. Aber schlagartig wurde ihr klar, dass sie nun mit Michel allein und ohne den Beistand des anderen Paars sein würde.
Andererseits konnte es auch nichts schaden. Sie und Michel hatten ihr kleines Missverständnis bereinigt. Von nun an würde es gewiss keine Peinlichkeiten mehr geben. Sie hatten aus der Erfahrung gelernt.
Die Straße zu Michels Landhaus führte durch eine prachtvolle Landschaft. Die Fahrt dauerte etwa eine Stunde. Die Zeit verflog im Nu, während Michel ihr von seinen Vorfahren erzählte, die diese Strecke noch mit Pferd und Wagen bewältigen mussten. Damals war die Gegend von wilden Tieren bewohnt, darunter böse Wölfe und bedrohliche Bären.
„Die trifft man hier natürlich nicht mehr an. Die Wölfe von heute tragen Smoking und ziehen Kaviar und Hummer statt Menschenfleisch vor“, scherzte Michel.
„Wölfe in eleganter Kleidung sind genauso gefährlich“, meinte Shannon lachend.
„Nicht unbedingt. Du brauchst ihnen nur ordentlich eins auf die Nase zu geben, dann suchen sie sich eine leichtere Beute.“
Um dich zu entmutigen, brauche ich nicht mal das zu tun, dachte Shannon traurig, schob den Gedanken aber gleich wieder beiseite.
Mit einer Fernbedienung öffnete Michel das massive Eisentor. Im Pförtnerhaus war niemand. Auch die Felder, Wiesen und Wälder, durch die die lange Auffahrt führte, waren menschenleer.
„Wohnt hier denn niemand?“, fragte Shannon.
„Zurzeit nicht. Unser Verwalter ist in den Ruhestand gegangen. Ich habe noch keinen Ersatz.“
„Hast du denn kein Personal, das sich um Haus und Anwesen kümmert? Auf dem Schloss wimmelt es von Bediensteten.“
„Doch, ich habe Personal, das jeden Tag herkommt, putzt und sich um die Ländereien kümmert. Alles Menschen aus der Umgebung. Aber wenn sie ihre Arbeit getan haben, können sie wieder nach Hause gehen.“
Hinter einer engen Kurve wurde das Landhaus sichtbar. Das zweistöckige, herrschaftliche Haus aus dem achtzehnten Jahrhundert war aus Naturstein
Weitere Kostenlose Bücher