BIANCA EXKLUSIV Band 0180
frage mich, wie weit wir wohl schon gekommen sind.“ Er drehte sich um und ging ein paar Schritte zurück. Die Straße hinter ihnen lag im dichten Nebel. Mit lautem Krachen fiel plötzlich ein schwerer Ast zu Boden, und beide zuckten zusammen.
„Es ist seltsam, dass hier niemand wohnt“, sagte Mariel, und ihre Stimme hallte im Wald wider.
„Ich bin sicher, dass wir bald auf ein Haus stoßen werden“, erklärte Jack mit mehr Zuversicht, als er tatsächlich empfand. Mariel ging immer noch tapfer neben ihm her, aber ihre Schritte schienen weniger energisch zu sein. An ihren Schläfen schimmerten blaue Adern durch ihre blasse Haut.
„So etwas darf zu Weihnachten einfach nicht passieren“, empörte sie sich. „Eigentlich sollten wir zu Hause bei unseren Freunden und unseren Familien sein und in einem gemütlichen, warmen Zimmer Kastanien am offenen Kamin rösten.“
„Da mögen Sie recht haben, aber Väterchen Frost beißt mir gerade in die Nase. Am besten, wir beeilen uns ein bisschen, sonst werden wir gleich zu Schneemännern.“
Sie warf ihm einen Seitenblick zu. „Aber es ist trotzdem immer noch Weihnachten, und Sie sollten sich durch nichts aus der Feststimmung bringen lassen.“
„Ich habe mir nie viel aus Weihnachten gemacht“, antwortete er, und seine Stimme klang eigenartig gepresst. „Und dieses ganze Familiengetue habe ich nie kennengelernt. Was mich betrifft, sind Weihnachten nur ein paar Tage, an denen ich nicht arbeite, und da ich selbstständig bin, bekomme ich sie noch nicht einmal bezahlt. Wenn ich Glück habe, lädt mich irgendjemand zum Truthahnessen zu sich nach Hause ein, danach sehe ich mir mit den Männern der jeweiligen Familie ein Footballspiel an und gehe dann schließlich zurück in mein leeres Haus.“
Mariel schien bestürzt zu sein. „Sie sind nicht verheiratet?“, fragte sie.
„Nein, ich hatte auch nie eine richtige Familie. Ich bin in einer Reihe von Pflegefamilien aufgewachsen. Zu Weihnachten gab’s normalerweise ein Paar Socken und neue Unterwäsche. Santa Claus ist nie zu mir gekommen. Nie.“
„Kein Santa Claus? Das ist ja, das ist …“
„Das ist so, wie es ist“, beendete er ihren Satz. „Glauben Sie, dass Sie noch ein wenig schneller gehen könnten? Es ist schon ziemlich spät, und es wird langsam dunkel.“
„Bestimmen Sie nur das Tempo, ich werde schon mithalten“, entgegnete sie mit unbewegter Miene, und er beschleunigte seinen Schritt. Er ging jetzt vor ihr her und war froh, dass sie ihm auf diese Weise nicht ins Gesicht sehen konnte, denn er blickte ganz bestimmt nicht freundlich drein.
Er dachte nun einmal nicht gern über Santa Claus nach, das war alles. Allein der Gedanke an diesen freundlichen weißbärtigen Mann, der Leute mit Geschenken überhäufte, die sowieso schon alles hatten, ärgerte ihn. Wenn es wirklich einen Santa Claus gab, warum beschenkte er dann nicht diejenigen, die es wirklich nötig hätten? Dieser Rummel um Weihnachten machte ihn ganz krank, aber das konnte er Mariel natürlich nicht sagen.
Sie waren vielleicht gerade eine Stunde unterwegs, da sah Mariel etwas zwischen den Bäumen hervorschimmern, das starke Ähnlichkeit mit einem Dach hatte. Zuerst traute sie ihren Augen nicht. Sie hatte schon angenommen, dass sie sich auf der verlassensten Straße der Welt befanden.
„Ein Haus! Dort drüben!“, rief sie aus und umklammerte Jacks Arm.
Er griff nach ihrer Hand und lächelte. „Ich habe doch gewusst, dass hier jemand wohnen muss. Vorsicht, treten Sie nicht in dieses Schlagloch“, sagte er, griff nach dem Lederhandschuh, in dem ihre linke Hand steckte, und zog sie mit sich. Über ihnen streckten kahle, vereiste Äste ihre langen Finger aus und ächzten und seufzten im eisigen Wind.
Der Pfad, der zu dem kleinen Haus führte, war so sehr von Gebüsch überwuchert, dass es kaum ein Durchkommen gab. Was für eine seltsame kleine Hütte, dachte Mariel. Sie sah weder Fenster, noch brannte irgendwo Licht.
Jack blieb so unerwartet stehen, dass sie beinahe in ihn hineingelaufen wäre. „Es ist leider nur der alte Unterschlupf eines Jägers, kein Haus“, stellte er fest. „Sehen Sie nur, sogar das Dach ist undicht.“
„Oh.“ Mariel seufzte enttäuscht.
Sie gingen um die Hütte herum, und Jack trat gegen ein paar lose Bretter. „Hier können wir nicht bleiben. Diese Hütte würde uns noch weniger Schutz bieten als mein alter Lastwagen. Vielleicht hätten wir ihn doch nicht verlassen sollen.“
„Ich weiß auch
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