BIANCA EXKLUSIV Band 0180
keinen Träumer vor sich hatte. Unter den gegebenen Umständen vielleicht gar nicht so schlecht.
„Jetzt!“, rief er und setzte das Stemmeisen ein letztes Mal ein. Es gab ein lautes Krachen, dann zog er die Tür auf, und Mariel beeilte sich, aus dem Wagen herauszuklettern.
„Stopp!“, schrie er, griff nach ihrem Handgelenk und verfehlte es.
Der Wagen rollte ein Stück nach vorn. Mariel schrie auf. Doch diesmal gelang es dem Mann, ihr Handgelenk zu packen und sie mit einem kräftigen Ruck aus dem Auto zu ziehen.
Mariel stolperte dabei gegen ihn, aber er hielt sie fest in seinen Armen. Seine wollene Jacke strich weich gegen ihre Wangen, sein muskulöser Körper strahlte Wärme und Geborgenheit aus. Eine Weile verharrte sie so, bis ihr bewusst wurde, dass er sie ansah.
„Oha“, sagte er. „Das war aber ganz schön gefährlich.“
„Ja. Ich war im wahrsten Sinne des Wortes dem Abgrund nahe“, stimmte sie mit bebender Stimme zu und blickte über die Schulter zum Wagen. Ihr armer kleiner Chevy hing jetzt regelrecht über dem Abgrund. Die Fahrerseite sah ziemlich lädiert aus, und ein Scheinwerfer baumelte lose an einem Kabel.
„Geht es Ihnen wirklich gut?“, fragte der Mann besorgt.
„Mit mir ist alles in Ordnung. Haben Sie nicht das Vorfahrtszeichen an der Kreuzung gesehen?“
„Ja, aber … Nun, meine Bremsen tragen die Schuld an dieser unglückseligen Geschichte. Ich hätte sie reparieren lassen sollen, aber ich bin einfach nicht dazu gekommen.“
Mariel sah ihn fassungslos an. „Sie meinen, dass das alles nur passiert ist, weil Sie zu faul waren, Ihren Lastwagen in die Werkstatt zu bringen?“
„Ich musste noch letzte Arbeiten an einem Haus erledigen, damit die Besitzer pünktlich vor Weihnachten einziehen können“, verteidigte er sich.
„Großartig“, zischte Mariel. „Ist es Ihnen nicht in den Sinn gekommen, dass Bremsen dringend notwendig sind, dass sie unbedingt funktionieren müssen?“
„Ich dachte nicht, dass …“
„Offensichtlich.“, schnitt sie ihm das Wort ab.
Seine Miene verfinsterte sich. „Ich bin froh, dass Sie nicht verletzt sind. Ich hätte es mir nie verziehen, wenn Ihnen etwas passiert wäre“, erklärte er, was ihn wieder in Mariels Achtung steigen ließ.
„Ich weiß nicht mal, wie Sie heißen“, stellte sie fest.
„Jack. Jack Travis. Und Sie?“
„Mariel Evans“, erwiderte sie.
„Was für eine Art, sich kennenzulernen“, bemerkte er kopfschüttelnd.
„Und was machen wir jetzt? Ich habe nirgendwo ein Haus gesehen, nicht mal eine Telefonzelle, aus der wir uns Hilfe rufen könnten“, sagte sie, und ihre Stimme klang im Nebel seltsam hohl.
„Ich befürchte, hier gibt es weit und breit kein Telefon. Ich muss irgendwo falsch abgebogen sein, aber wie sind Sie in diese Gegend gekommen?“ Dabei begutachtete er ihr Kennzeichen, an dem sich ablesen ließ, dass der Wagen in Pennsylvania zugelassen war.
„Ich habe mich an die Wegbeschreibung eines Mannes gehalten, der mir an einer Tankstelle in der Nähe der Autobahn geholfen hat“, erwiderte sie. „Irgendwie muss ich ihn wohl missverstanden haben. Ich habe keine Ahnung, wo wir jetzt sind.“
„Ich ebenso wenig, dabei wohne ich nur zwanzig Meilen von hier. Na ja, mal sehen, ob mein Lastwagen noch etwas hergibt.“ Er legte die Hand auf ihren Oberarm und führte sie auf einen blauen Fleck irgendwo mitten im Nebel zu.
„Warten Sie“, sagte sie und blieb stehen. „Ich muss noch meine Handtasche aus dem Wagen holen. Und meine Reisetasche.“
„Na, von mir aus. Ich halte Ihre Hand fest, während Sie sich hineinlehnen. Lassen Sie aber bloß den Wagen in Ruhe, greifen Sie nur nach Ihrem Gepäck.“
Mariel lehnte sich in den Wagen hinein. Ihr kleiner Chevy, der sie durch eine Ehe, eine Scheidung und zwei ausgedehnte Reisen quer durch die Vereinigten Staaten begleitet hatte, schien ihr bereits fremd, ganz als gehöre er gar nicht mehr zu ihr. Sie griff nach ihrer Handtasche, steckte sie in die halbgeöffnete Reisetasche, und Jack zog Mariel samt Gepäck wieder aus dem Wagen heraus.
Er ließ sie nicht sofort wieder los. Seine Hand war warm, und sie spürte, wie ihr Puls heftig pochte. Hastig entzog sie ihm die Hand.
„Kommen Sie, wir gehen in meinen Lastwagen“, sagte er. Sie hängte sich die Reisetasche über die Schulter und folgte ihm.
Sein kleiner Lastwagen war auch nicht viel neuer als ihr Chevy, aber er schien in einem guten Zustand zu sein. Jack stieg ein und öffnete ihr von innen die
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