BIANCA EXKLUSIV Band 0180
nicht“, erwiderte Mariel. „Mir ist kalt, ich habe Hunger, und mir tut jeder Knochen im Leib weh. Ich wünschte, irgendjemand würde uns zur Magic Minimart-Tankstelle zurückbringen, wo all meine Probleme erst richtig angefangen haben und …“
„Bloß keine Wünsche mehr, bis jetzt ist nicht ein einziger in Erfüllung gegangen“, unterbrach er sie.
Sie hörten den Schrei beide gleichzeitig.
„Was ist das?“, fragte Jack beunruhigt.
„Hört sich an, als ob ein Baby geschrien hätte.“
„Ein Baby? Hier? Ein Tier vielleicht, wahrscheinlich ein Vogel, aber ein Baby? Nein“, erklärte Jack, als ob es da gar keinen Zweifel gäbe. „Kommen Sie, wir verschwinden am besten von hier, ich bekomme ja schon eine Gänsehaut.“ Er drehte der Hütte den Rücken zu, vergrub beide Hände tief in seinen Hosentaschen und ging davon.
Mariel zog sich den Schal über dem Kopf zurecht und suchte in ihrer Manteltasche nach einem Taschentuch. Gerade hatte sie es wieder zurückgesteckt, da hörte sie das Schreien wieder. Ein hoher, klagender Ton, der nur von einem Säugling kommen konnte, nicht von einem älteren Kind.
Jack war mittlerweile fast im Nebel verschwunden. Sie wäre ihm beinahe gefolgt, schließlich wollte sie ihn auf keinen Fall verlieren, aber wie konnte sie das Schreien eines Babys ignorieren?
„Mariel! Beeilen Sie sich!“, rief er ihr zu.
Kurz entschlossen schob sie ein paar lose Bretter beiseite und betrat die Hütte. Es dauerte eine Weile, bis sich ihre Augen an das schummrige Licht im Innern gewöhnt hatten, aber als sie endlich einigermaßen sehen konnte, war sie sprachlos vor Erstaunen. Auf einem Bett aus trockenen Blättern, eingewickelt in eine pinkfarbene Decke, lag ein winziges Baby.
Das Gesicht des Säuglings war vor lauter Schreien rot angelaufen. Mit seinen kleinen Fäusten fuchtelte er in der Luft herum, und seine winzige Füße strampelten unter der Decke.
„Jack!“, schrie Mariel, fiel auf die Knie und nahm das Baby in die Arme. Der Säugling hörte sofort auf zu schreien und starrte Mariel neugierig an.
Sie hörte, wie Jack sich einen Weg durch das Unterholz bahnte. Aufs Äußerste gefasst, stand er plötzlich im Eingang. „Was ist passiert?“
Statt ihm eine Antwort zu geben, stand Mariel auf und drehte sich herum, damit er das Kind sehen konnte.
„Es war … tatsächlich ein Baby“, stammelte er. Er hatte nun seine Mütze abgenommen und fuhr sich mit der Hand durch das Haar. Es war dicht, dunkelbraun und wellig.
„Verflixt noch mal“, sagte er und betrachtete das Baby mit Widerwillen.
„Wir können es unmöglich hier lassen“, erklärte Mariel.
„Natürlich nicht“, erwiderte er. „Ich möchte nur wissen, wie es überhaupt erst hierher gekommen ist.“ Jack sah sich im Inneren der kleinen Hütte um. Dort, wo das Wasser durch das Dach sickerte, bildeten sich bereits Eiszapfen. Dann traf sein Blick Mariels, und sie bemerkte, wie verärgert ihr Begleiter war.
„Spielt es eine Rolle, wie das Baby hierher gekommen ist?“, fragte sie. Sie schmiegte das Kind fürsorglich an ihre Brust und rieb ihre Wange gegen seinen Kopf. Obwohl Jack offensichtlich bestürzt über ihren Fund war, fühlte Mariel doch eine seltsame Freude in sich aufsteigen. Sie faltete die Decke auseinander. Das Baby trug einen rosafarbenen Strampelanzug. Sicherlich war es ein Mädchen, nicht viel älter als einen Monat, schätzte Mariel. Auf dem Kopf des Kindes wuchs ein zarter blonder Flaum, und sie fand es einfach wunderschön.
Der Säugling gab leise, wimmernde Geräusche von sich, und Mariels Herz zog sich zusammen, als ihr klar wurde, dass er hungrig sein musste.
„Wo sind bloß die Eltern?“, fragte Jack, und sein Ärger schwang immer noch in seiner Stimme mit. Er stampfte aus der Hütte und starrte in den Wald. Mariel folgte ihm mit dem Kind auf dem Arm. Nirgendwo konnten sie auch nur eine Menschenseele erblicken, um sie herum gab es nichts als die halb vom Nebel verhüllten kahlen Bäume.
„Hallo?“, rief Jack und hielt sich dabei die Hände als Trichter vor den Mund, doch außer dem Echo antwortete ihm niemand.
„Ist hier jemand?“, schrie Jack, aber aus dem Wald kam nur ein ausklingendes „mand… mand… mand“, zurück.
„Wir können das Baby nicht hier lassen“, wiederholte Mariel.
Jack warf in einer Geste der Verzweiflung den Kopf zurück und starrte auf die kahlen Zweige, als hoffte er, dort eine Antwort zu finden. Nach einer Weile senkte sich sein Blick wieder auf
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