BIANCA EXKLUSIV Band 0180
sich hier und jetzt zu lieben, so würde das doch nicht ihre Probleme lösen. Sie würden sie dabei nur kurzfristig vergessen.
„Wir müssen sie geweckt haben“, stellte Mariel fest und klang dabei wieder ganz wie die Alte. Wenige Sekunden später kniete sie bereits neben dem Kind, sprach ein paar beruhigende Worte und ignorierte Jack dabei völlig.
Er wartete einen Moment und sammelte dann das Feuerholz ein, das er mitgebracht hatte. Mariel besaß, wie er inzwischen feststellen konnte, einen ausgeprägten mütterlichen Instinkt. Das war auch gut so, trotzdem musste er sich eingestehen, dass er enttäuscht war. Wie gern hätte er sie jetzt im Arm gehalten und ihr ins Ohr geflüstert, dass er im Notfall sein Leben für sie hergeben würde.
Aber das war jetzt einfach unmöglich. Mariel wechselte dem Baby gerade die Windeln. Draußen tobte der Sturm. Jack legte einige Holzscheite aufs Feuer und brachte den Rest in der Ecke unter, wo sich der alte Holzstapel befunden hatte.
„Stell dir vor, Jack“, hört er Mariel sagen, „nachdem du gegangen warst, habe ich noch zwei weitere Holzscheite gefunden.“ Offensichtlich hatte sie sich entschieden, so zu tun, als sei zwischen ihnen nichts vorgefallen. Da er auch nicht wusste, wie er sich verhalten sollte, konnte er dieses Spiel ebenso gut mitspielen.
„Das ist unmöglich. Ich weiß genau, dass ich das letzte Stück Holz aufs Feuer gelegt habe, bevor ich heute Morgen die Höhle verließ.“
Mariel bemerkte gar nicht, wie sehr ihm das Gesprächsthema widerstrebte. „Es war wirklich seltsam. Ich dachte, ich hätte die Scheite am Morgen übersehen“, fuhr sie fort.
In ihrer Stimme klang eine ungewohnte Heiterkeit mit. Sie war also doch nicht ganz unberührt von dem, was eben passiert war. Das gab ihm Hoffnung.
Aber was redete sie da bloß? Zwei weitere Holzscheite wollte sie gefunden haben, das war doch ein reines Hirngespinst! „Mariel, Mariel …“, begann er sanft. Er machte sich nun ernsthafte Sorgen um sie. Spielte ihr Verstand ihr etwa einen Streich?
„Nun, es ist passiert“, erklärte sie bestimmt.
„Schließlich ist Weihnachten“, erwiderte er und hoffte, so das Thema beendet zu haben. Er wusste genau, dass heute Morgen kein Holz mehr in der Höhle gelegen hatte. Daran gab es keinen Zweifel.
Mariel schüttelte den Kopf, und er war erleichtert, als er sah, dass sie zu lachen begann. Sie hatte das Kind auf den Arm genommen und wiegte es sanft.
„Oh, übrigens, ich habe eine neue Spalte in der Felswand entdeckt“, verkündete sie.
„So? Sie kann nicht sehr groß sein“, erwiderte er. Er hatte die Höhle letzte Nacht gründlich abgesucht und nichts entdecken können.
„Ich glaube, wir haben sie zuerst übersehen, weil sie von dem Holzstoß verdeckt war“, sagte sie.
Jack blickte widerwillig in die von ihr genannte Richtung und traute seinen Augen nicht. In dieser Wand befand sich wirklich eine Öffnung.
„Tatsächlich, du hast recht“, rief er erstaunt aus.
„Hast du etwa geglaubt, ich hätte mir das alles nur ausgedacht?“
„Ich weiß gar nicht mehr, was ich glauben soll.“ Die Spalte war kaum breit genug, um mit der Hand hineingreifen zu können, und irgendetwas veranlasste ihn, auf die Öffnung zuzugehen und genau das zu tun. Seine Finger umschlossen einen zylinderförmigen Gegenstand. Vorsichtig zog er seine Hand aus der Felsspalte heraus und starrte dann fassungslos auf seine Ausbeute. Dann griff er wieder hinein und brachte nacheinander zwei weitere Sachen zum Vorschein.
„Was machst du da?“, fragte Mariel. Er blockierte ihr mit seinem Rücken die Sicht.
„Ich besorge uns etwas zu essen“, erwiderte Jack und hatte Mühe, die Worte auszusprechen, so unglaublich war das, was hier geschah. Schließlich drehte er sich herum, um ihr eine Dose Milchpulver, eine Dose Wiener Würstchen und eine Packung Früchtebrot zu zeigen.
6. KAPITEL
„Wo kommt das denn her?“, fragte Mariel ungläubig.
Jack wies mit dem Kopf auf die Spalte. „Das war dort drin.“
„Aber warum?“, fragte sie und betrachtete dabei die kleine Milchpulverdose von allen Seiten.
„Ich weiß nicht, warum, Mariel. Können wir nicht einfach nur dankbar dafür sein, dass es da war?“, sagte er und setzte sich neben sie. Er machte sich nun keine Sorgen mehr um Mariels Geisteszustand, schließlich traf alles, was sie gesagt hatte, auch zu. Langsam begann er allerdings daran zu zweifeln, ob mit ihm selbst alles in Ordnung war.
„Das Milchpulver muss in
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