BIANCA EXKLUSIV Band 0180
Es schien alles so weit weg zu sein.
Mariel nahm Jessica hoch und fütterte sie. Das Baby kam mit der Puppenbabyflasche hervorragend zurecht und trank genüsslich die Ziegenmilch bis auf den letzten Tropfen aus. Mariel war so mit Jessica beschäftigt, dass sie nicht hörte, wie Jack frischgebadet aus der Küche kam. Nun stand er vor ihr und sah sie an.
„Mariel, ich glaube, es ist besser, wenn ich oben in einem der Zimmer schlafe“, erklärte er ohne Umschweife.
„Dort oben ist es aber so kalt“, wandte sie ein.
„Ich kann mir ja ein Feuer im Kamin machen.“
„Jessica wird alle vier Stunden aufwachen, und ich habe gedacht, dass wir uns mit dem Füttern abwechseln könnten. Wenn du oben schläfst, kannst du sie gar nicht schreien hören.“
Er überlegte einen Moment lang. „Das ist allerdings ein Grund, hier unten zu bleiben“, entgegnete er widerwillig.
Nachdem sie sich aus den Sitzkissen ihre Betten gebaut und sich mit Decken und Morgenmänteln, die sie in einem Schrank gefunden hatten, zugedeckt hatten, fielen beide erschöpft in einen tiefen Schlaf.
Allerdings bedauerte es Jack, dass Mariel in dieser Nacht kaum seine Körperwärme benötigen würde. Es war wunderbar gewesen, dicht an sie geschmiegt dazuliegen.
9. KAPITEL
Mariel träumte in dieser Nacht sehr unruhig, und in ihren Träumen ging es überwiegend um Jack. Dann sah sie auf einmal das Gesicht des Mannes von der Tankstelle vor sich.
„Gefallen dir deine Geschenke dieses Jahr?“, fragte er, und er kam ihr so lebensecht vor, dass sie daran zweifelte, ob sie wirklich bloß träumte.
„Du hast dir dieses Jahr so viel gewünscht, dass ich mir nicht sicher sein konnte, was du davon wirklich haben wolltest“, fuhr er fort.
Mariel betrachtete den kleinen, rundlichen Mann mit Ehrfurcht. Sie fühlte sich in ihre Kindheit zurückversetzt, erinnerte sich an die Zeiten, in denen sie im Warenhaus verschüchtert auf Santas Knie gesessen hatte.
„Nun? Willst du mir nicht antworten, Mariel?“
„Ich kann mich nicht beklagen“, erwiderte sie.
„Ho, ho, ho“, lachte Santa Claus. „Ich kann mich aber noch gut daran erinnern, wie du damals mit zehn einen unheimlichen Aufstand gemacht hast, weil du keinen Chemiebaukasten bekommen hast.“
Da hatte er natürlich recht. Mariel war verblüfft, dass er das noch wusste.
„Aber findest du nicht, dass Jessica viel besser ist als die ganzen Babypuppen, die ich dir damals gebracht habe?“ Er blinzelte ihr zu und verschwand.
In diesem Moment begann das Baby zu schreien, und Mariel öffnete mühsam die Augen. Sie sah, dass die Kleine die Decke weggestrampelt hatte. Es musste Zeit für das Fläschchen sein. Jack bewegte sich im Schlaf, als Mariel unter ihrer Decke hervorkroch.
Die glühende Kohle im Küchenkamin strahlte immer noch genug Wärme aus, und Jack hatte die Kerosinlaterne auf dem Küchentisch brennen lassen. Mariel fand im Kühlschrank eine bereits gefüllte Flasche für Jessica und erwärmte sie im Wasserbad auf dem Herd.
Als Mariel in den Saal zurückkehrte, hatte Jack die Kleine schon auf den Arm genommen und redete beruhigend auf sie ein.
„Ich werde sie füttern“, erklärte Mariel. „Leg dich wieder hin.“
Jack sah sie mit müden Augen an, nahm ihr aber entschlossen die Flasche aus der Hand. „Nein, ich übernehme das. Du legst dich wieder hin. Wir haben schließlich einen langen Tag hinter uns.“ Er lächelte sie an, und sie schlüpfte gehorsam wieder unter die Decke.
Auf einmal fiel ihr wieder der Mann ein, der wie Santa Claus aussah. Hatte er eben wirklich mit ihr gesprochen?
„Jack …“, begann sie. Sie hätte ihn gern gefragt, ob er Santa Claus auch gesehen hatte, aber wahrscheinlich würde er sie dann für verrückt halten.
Jack blickte zu ihr hinüber. „Ich dachte, du wärst schon wieder eingeschlafen“, sagte er.
„Ich glaube, ich kann nicht mehr einschlafen“, erwiderte sie. „Ich bin hellwach.“
„Wenn das so ist, dann nimm du doch mal eben Jessica, während ich uns etwas zu trinken hole.“ Mariel rückte näher an das warme Kaminfeuer heran, und er legte ihr das Baby vorsichtig in den Arm, bevor er in der Küche verschwand.
Jessica trank hungrig, ihren Blick stets auf Mariels Gesicht gerichtet.
Mariel fragte sich, ob es normal war, innerhalb so kurzer Zeit eine so starke Zuneigung zu einem Kind zu entwickeln, das noch nicht einmal ihr eigenes war. Sie liebte Jessica von ganzem Herzen. Nie hätte sie geglaubt, dass man ein Baby so innig lieben
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