BIANCA EXKLUSIV Band 0180
sie in der letzten Nacht einmal kurz aufgewacht war, hatte sie ihn eingenickt an ihrem Bett sitzen sehen. Eine Hand hatte er auf ihren Arm gelegt, als ob er Angst gehabt hätte, sie könnte ihm wieder davonlaufen. Der Gedanke, dass er auf sie aufpasste, war so beruhigend gewesen, dass sie die verbleibenden Stunden bis zum Morgen so tief und fest wie schon lange nicht mehr geschlafen hatte.
Und an diesem Morgen, als sie auf Gray und Kathrin wartete, hatte sie die Hoffnung in ihrem Herzen aufkeimen lassen, dass Jarrett ihre Rettung wäre. Sie hatte sich ausgemalt, wie es wäre, wenn er sie trotz des Babys und allem, was geschehen war, noch lieben würde.
Aber er war nicht der schöne Prinz, der sie errettete. Er war nicht der Vater ihres Kindes.
Sie redete sich ein, dass es keine Rolle spielte. Schließlich hatte sie eine Familie, die sie liebte. Mit oder ohne Jarrett, sie würde sich ihrem neuen Leben und allen Entscheidungen, die damit einhergingen, nicht allein stellen müssen. Sie hatte ein Zuhause.
Aber warum verflixt noch mal schmerzte dann ihr Herz so?
Sie entzog Jarrett die Hand und ging zum Bett hinüber, um sich die Fotos ein weiteres Mal anzuschauen. Doch Gray und Kathryn kamen zur Tür herein, bevor sie die Bilder erreicht hatte.
„Ich habe mit Dr. Parker und der Polizei gesprochen“, berichtete Gray. „Wir können noch heute nach Hause fahren.“
Neben ihm lächelte Kathryn strahlend. „Ich habe den Flughafen angerufen. Wir haben noch Flüge bekommen. Wenn es keine Verzögerungen gibt, sind wir morgen Vormittag zu Hause.“
Ashley versuchte zu lächeln, versuchte, etwas anderes zu empfinden als die Panik, die in ihr aufstieg. Hilfe suchend wandte sie sich Jarrett zu. „Kommst du auch mit? Oder kannst du wegen der Konferenz nicht weg?“
Er lächelte. „Die Konferenz wird ohne mich auskommen müssen. Wir werden dich nach Texas bringen. Dorthin, wo du hingehörst.“
Als das Flugzeug in Amarillo landete, erinnerte sich Ashley daran, was Jarrett über Texas gesagt hatte. Er hatte es wie das Paradies beschrieben. Und als Ashley über das trockene flache Land schaute, war sie erstaunt, dass es tatsächlich ihre Seele ansprach.
Sie hatte jedoch keine Zeit, diesen Gefühlen länger nachzuspüren, denn unglaublich viele Menschen warteten am Flugplatz darauf, sie zu begrüßen. Es war Ashley unmöglich, sich alle Namen zu merken. Jarretts Schwester, Paige, ihr Ehemann und ihre vier – oder fünf? – Kinder. Jarretts Vater, ein großer Mann mit wettergegerbtem Gesicht und tiefer, dröhnender Stimme. Dann waren da noch Grays und Kathryns Töchter, die elfjährige Lily und die achtjährige Whitney. Sie waren schüchtern, aber freuten sich offensichtlich, Ashley zu Hause willkommen zu heißen. Beide hatten die himmelblauen Augen ihres Vaters.
Ashleys Bruder Rick hatte die gleichen Augen wie sie, aber blonde Haare. Man hatte ihr zuvor gesagt, dass er in Lubbock an einer Technischen Universität studierte. Rick war groß und gut aussehend und hatte ein strahlendes jungenhaftes Lächeln. Er umarmte sie und ließ seinen Tränen freien Lauf. Es schien ihm nichts auszumachen, dass sie in ihm einen Fremden sah.
Aber ihr machte es etwas aus. Es war ein schreckliches Gefühl, Angst vor Leuten zu haben, die sie von ganzem Herzen willkommen heißen wollten.
Und es war ihr unangenehm, dass sie sich so an Jarretts Hand klammerte.
„Denk immer daran, wie sehr sie dich lieben“, hatte Jarrett ihr auf der Fahrt vom Flughafen nach Hause gesagt.
Noch mehr Freunde und einige Nachbarn warteten vor dem großen lang gezogenen Haus. Alle begrüßten sie mit überschwänglicher Freude. Niemand erwähnte das Baby. Sie redeten und redeten und lachten und lachten, als wären sie fest entschlossen, glücklich zu sein.
Und wenn sie nicht lachten und redeten, aßen und tranken sie und drängten Ashley, es ihnen gleichzutun. Die Tische bogen sich vor köstlichem Essen. Gebratene Hähnchen, gegrilltes Schweinefleisch, Maiskolben, Kartoffelsalat. Wie kam es, dass sie wusste, wie gern sie Schokoladentorte aß, wenn sie sich weder an den Mädchennamen ihrer Mutter noch an den Geburtstag ihres Bruders erinnerte?
Rick blieb die ganze Zeit über an Ashleys Seite. Er führte sie in dem Teil des Hauses herum, der erst im letzten Jahr angebaut worden war. Er ging mit ihr in den Stall, wo einige Pferde sie sanft wiehernd begrüßten, aber leider keine Erinnerung in Ashley auslösten. Er zeigte ihr einen alternden Hund namens Winks
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