BIANCA EXKLUSIV Band 0187
wollen, es jedoch vergessen, weil sie sich so angeregt unterhalten hatten.
„Sie konnten alle entlassen werden bis auf den jungen Mann, der im Koma liegt, und die junge Frau mit dem gebrochenen Arm. Sie kann morgen nach Hause. Der Zustand des jungen Mannes ist kritisch, aber stabil.“
„Hoffentlich wird er wieder ganz gesund und behält nichts zurück. Glücklicherweise waren die jungen Frauen angeschnallt. Sie waren so ausgelassen, als hätten sie getrunken. Doch offenbar hatten sie es nicht.“
„Jugendliche sind immer so ausgelassen und übermütig“, stellte er ruhig fest.
Alli betrachtete sein markantes Profil. Wie kommt es, dass in seiner Gegenwart alle meine Sinne geschärft sind?, überlegte sie. Das Blau des Himmels kam ihr viel leuchtender vor, und der Jasminduft, der durch das geöffnete Fenster hereinströmte, schien intensiver zu sein.
Wenig späterparkteerden Wagenaufdem Besucherparkplatz des Apartmenthauses, und dann fuhren sie im Aufzug schweigend in den vierten Stock. Dieses Mal öffnete Marian ihnen die Tür selbst. Sie war offenbar ruhiger und gefasster als am Tag zuvor. Nachdem Slade sie zur Begrüßung auf die Wange geküsst hatte, fragte sie Alli: „Wie hast du geschlafen, meine Liebe?“
„Gut, danke“, antwortete Alli höflich. Sie entspannte sich erst, nachdem Marian sie und Slade in das Wohnzimmer geführt hatte.
„Setz dich“, forderte Marian sie auf und ließ sich in den Sessel sinken. Dann sah sie Alli prüfend an. „Ich war schockiert, als Caroline mir berichtet hat, Slade hätte angerufen und mitgeteilt, dass ihr euch um Unfallopfer gekümmert habt. Das muss schrecklich gewesen sein. Ich hätte nach so einem Erlebnis wochenlang Albträume.“ Ohne Slade anzublicken, entgegnete Alli: „Glücklicherweise gab es nur einen Schwerverletzten.“
„Wisst ihr, wie es ihm geht?“
Slade erzählte es ihr.
Marian seufzte. „Seine Eltern tun mir leid.“
In dem Schweigen, das danach herrschte, waren Allis Nerven zum Zerreißen gespannt. Sie fühlte sich in der luxuriösen Umgebung unbehaglich, was sie selbst nicht verstand, denn in Slades Apartment hatte sie sich wohl gefühlt.
Schließlich nahm Marian den Briefumschlag in die Hand, der auf dem kleinen Tisch neben dem Sessel lag, und reichte ihn Alli. „Ich habe dich hergebeten, um dir das zu geben.“
Alli versteifte sich. Wenn sie mir Geld anbietet, werde ich es ihr vor die Füße werfen, dachte sie.
Mit zitternden Fingern öffnete sie den Umschlag. Zu ihrer Erleichterung steckte darin kein Geld, sondern ein Foto. Alli betrachtete es aufmerksam. Es könnte mein Gesicht sein, überlegte sie und blickte Marian an.
„Es ist deine Mutter“, bestätigte die ältere Frau.
Wie betäubt drehte Alli das Foto um. Ihre Mutter hatte auf die Rückseite geschrieben: „Für dich, Marian, damit du mich nie vergisst.“
Eine Schwester, die mit dem eigenen Ehemann durchbrennt, vergisst man sowieso nicht, schoss es Alli durch den Kopf.
„Danke.“ Plötzlich fiel ihr etwas ein. Sie zog einen Umschlag aus der Tasche und reichte ihn Marian. „Ich weiß nicht, ob du es haben möchtest. Aber es gehört dir.“
„Was ist es?“, fragte Marian und nahm ihn entgegen.
„Das Hochzeitsfoto. Ich habe es unter den Papieren meines Vaters gefunden“, erwiderte Alli.
„Nein, das möchte ich nicht haben.“ Marian gab ihr den Umschlag zurück. „Weißt du überhaupt etwas von deiner Mutter?“
„Nein. Mein Vater hat sie nie erwähnt.“ Alli steckte das Foto von ihrer Mutter in den Umschlag.
Sekundenlang sah die ältere Frau sie traurig an. Dann fragte sie höflich: „Warst du als Kind glücklich?“
Alli lächelte betont unbekümmert und stand auf. „In vielerlei Hinsicht hatte ich eine wunderbare Kindheit. Kinder sind sehr anpassungsfähig, sie finden sich leichter mit jeder Situation ab als Erwachsene.“
„Ja, ich weiß. Es freut mich, dass du glücklich warst.“ Sie und Slade standen auch auf, und alle drei gingen zur Tür.
Unvermittelt blieb Marian stehen. „Danke, dass du gekommen bist, Alli. Nachdem ich mich vor zwei Jahren geweigert hatte, mit dir zu reden, warst du sicher sehr wütend auf mich. Aber damals war deine Existenz für mich …“, sie zögerte und schien nach Wortenzu suchen,„… ein Schock. Versteh mich bitte nicht falsch, aber ich war der Meinung, du seist gar nicht geboren.“
Alli war klar, dass es ein endgültiger Abschied war. Sie konnte es verstehen, denn ihr Anblick hatte die bittere
Weitere Kostenlose Bücher