Bianca Exklusiv Band 0226
gehört.“
„Ja, das gefällt mir auch. Wenn die wüssten, wie viel die Kinder über sie ausplaudern. Und worüber sie reden – die Eltern wären ganz schön schockiert.“
Allison kicherte bestätigend. „Du glaubst nicht, was einer meiner Schüler letzte Woche zum Vorzeigen mitgebracht hat.“
„Was? Erzähl mal“, drängelte Chris.
„Polaroidfotos von seinen Eltern im Bett. Und sie schliefen nicht.“
„Nein!“
„Doch dann habe ich von sechs Eltern Anrufe bekommen, die sich darüber beschwerten, dass ihre Kinder pornografische Fotos zu Gesicht bekommen hätten.“ Allison erzählte ihrer Freundin nicht von der hochpeinlichen Unterredung mit Mr Gibson, dem Schuldirektor, der den Vorfall ziemlich ernst genommen hatte.
„Wie kommt ein so kleines Kind an solche Bilder?“, fragte Chris ungläubig.
„Keine Ahnung. Ich glaube, der Junge wusste gar nicht, was er den Mitschülern vorzeigte.“
„Man fragt sich nur, wer die Fotos gemacht hat.“
Allison seufzte. „Heute wissen Kinder so viel mehr über Sex als ich in ihrem Alter. Manchmal kann ich’s nicht fassen, welche unflätigen Wörter sie an die Wände im Waschraum kritzeln.“
„Ich weiß, was du meinst“, stimmte Chris zu. „Manche dieser Wörter habe ich erst im College kennengelernt.“
Sie schwiegen eine Weile und schauten den ausgelassenen Spielen ihrer Schüler zu. Mit sich wandelnden Strukturen ihrer Familien und Stieffamilien mussten die Kinder heutzutage mit vielen Veränderungen einer modernen Gesellschaft fertig werden. Allison fand, sie würden gezwungen, zu schnell erwachsen zu werden. Von Kindern durfte man nicht erwarten, dass sie mit Situationen wie Erwachsene umgingen. Sie sollten Spaß haben, lachen und sich kindlichen Fantasien hingeben, statt wie kleine Erwachsene handeln zu müssen.
„Du wirst wahrscheinlich diese fotografierbegabten Eltern kennenlernen“, sagte Chris mit einem Lachen.
„Oh nein!“, stöhnte Allison. „Ich werde ihnen nicht ins Gesicht sehen können, wenn ich mit ihnen reden muss.“
„Warum willst du ihnen nicht ins Gesicht sehen? Alles andere kennst du ja schon.“ Chris lachte aus vollem Halse.
Allison maß sie mit einem vernichtenden Blick. „Dir macht das wohl Spaß, was?“
„Und ob. Es sind diese kleinen Dinge, die den Tag der offenen Tür so reizvoll machen.“
Plötzlich freute Allison sich nicht mehr so darauf wie noch vor wenigen Augenblicken. Es gab private Dinge, die sie gar nicht erfahren wollte. Ihr behagte es gar nicht, den Freund von Seans Mutter kennenzulernen oder etwas über Susans abwesende Mutter zu erfahren. Es war wohl besser, wenn sie nicht allzu gründlich nachforschte.
3. KAPITEL
Allison hatte es so eingerichtet, dass ihr zwischen dem Besuch der beiden Elterngruppen eine halbe Stunde Zeit blieb. Doch einige Eltern der Widder-Klasse blieben länger, sodass sie kaum den Sitz ihrer Frisur überprüfen konnte, bis die nächste Welle von Besuchern, die Eltern der Büffel-Klasse, hereinströmte.
Es war unschwer zu erkennen, woraus Meagan ihren Überlegenheitskomplex bezog. Beide Eltern waren erfolgreiche Ärzte. Sie waren auf die Minute pünktlich. Geschäftsmäßig prüften sie Meagans Unterlagen, und ihre Unterredung mit der Lehrerin verlief flott und energisch. Als sie sich mit ihrer Tochter zum Gehen anschickten, hörte Allison, wie sie ihr für ihre guten Leistungen einen neuen Fernseher versprachen. Das bestätigte ihren Verdacht, dass Meagan sehr verzogen war.
Seans Mutter kam tatsächlich mit ihrem Freund. Die attraktive Dreißigerin ließ auch dann kaum einen Blick von dem Mann, als es galt, Seans Papiere zu begutachten. Und Sean wurde laut und benahm sich abscheulich. Er hatte offenbar die Erfahrung gemacht, dass er nur mit Ungezogenheit Aufmerksamkeit erregen konnte. Allison nahm sich vor, mit dem kleinen Jungen geduldiger zu sein, ihn zu loben, wenn sein Benehmen gut und seine Arbeit annehmbar war. Vielleicht würde es helfen, seine Verhaltensweise zu ändern, wenn Sean beachtet wurde. Sie wünschte sich, sie könnte ein bisschen von Meagans Selbstvertrauen auf ihn übertragen. Unglücklicherweise aber war sie nur eine Lehrerin, keine Zauberin.
Als Matthews Eltern eintrafen, nahm Allison sie für eine Unterredung beiseite. Der Junge war gerade fünf geworden und noch nicht reif für die Schule. Er war das perfekte Beispiel eines Kindes, das besser ein Jahr später eingeschult worden wäre. Aber da er nun einmal begonnen hatte, konnte man ihn
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