Bianca Exklusiv Band 0226
sagte Olivia, als die Kellnerin zu ihr trat. „Ich bin am Verhungern. Kann ich eine Tüte Chips haben? Ich war den ganzen Tag unterwegs. Das Wetter ist scheußlich! Außerdem benimmt sich mein Auto sehr seltsam.“ Sie hielt gerade lange genug inne, um Luft zu holen. „Hier ist wohl niemand, der es reparieren kann, was?“
„Nicht vor morgen früh, fürchte ich.“ Die Kellnerin wischte den Tresen mit einem nassen Lappen ab. „Normalerweise macht die Werkstatt nebenan um acht Uhr auf. Wir haben hinten ein Motel, aber es ist nichts Besonderes.“
Olivia konnte sich das schäbige Motel lebhaft vorstellen. Wahrscheinlich berechnete man dort stundenweise. „Ich hatte gehofft, heute Abend noch nach Hause zu kommen.“
Sie zuckte zusammen, als der Fremde neben ihr fragte: „Und wo ist zu Hause?“
„Henderson. Es ist nicht weit, keine zwei Stunden von hier.“
Er zog eine Augenbraue hoch. „Ich weiß, wo es ist.“
„Ach ja?“ Als er schwieg, stellte sie sich vor. „Ich heiße übrigens Olivia DeAngelis. Und wer sind Sie?“
„Drew Pierce.“ Er schien auf eine Reaktion zu warten, nahm offensichtlich an, dass sie den Namen kannte.
Die Kellnerin kehrte mit Olivias Bestellung zurück und musterte Drew interessiert. „Mein Mann war früher Holzfäller. Sind Sie mit den Pierces verwandt?“
„Ja.“
Olivia hob ihr Glas an die Lippen und verbarg auf diese Weise ihre Überraschung über seine Identität. Das war also der berüchtigte Drew Pierce. Natürlich hatte sie von ihm gehört.
Die Familie Pierce hatte früher mal Hendersons Holz- und Farmwirtschaft beherrscht, bevor eine Explosion das Arbeiterlager zerstört hatte. Sie versuchte, sich an die Einzelheiten des Prozesses zu erinnern. Es war um Verletzung der Sicherheitsvorschriften und Misswirtschaft gegangen. Trotz hervorragender Anwälte war Drew verurteilt worden, woraufhin seine Familie Henderson verlassen hatte. Seitdem war die Stadt nicht mehr die, die sie vorher gewesen war.
Nachdenklich musterte Olivia sein Gesicht mit dem eckigen Kinn, dem vollen sinnlichen Mund, den dunklen Haaren und Augen. Seltsam, er sah nicht wie Abschaum aus, und auch die anderen unflätigen Bezeichnungen, die sie in der Stadt über ihn gehört hatte, schienen nicht auf ihn zuzutreffen. Er sah vielmehr auf eine verwegene Art beunruhigend gut aus.
Dann fiel ihr noch etwas ein. Seine Familie hatte zwar die Stadt verlassen, aber das Anwesen, Oakridge, stand noch. Sie waren also praktisch Nachbarn! Beinahe wäre es ihr herausgerutscht, doch seine verschlossene Miene verriet ihr, dass ihm eine derartige Information missfallen hätte.
Sie öffnete die Tüte Chips und bot sie ihm an.
„Nein danke.“ Drew bemühte sich sehr, seine Tresennachbarin zu ignorieren. Er hätte jedoch ebenso gut versuchen können, eine Fliege zu ignorieren, die um sein Ohr surrte. Sie wirkte so verführerisch und erinnerte ihn an all die weibliche Gesellschaft, die ihm entgangen war. Er war schwer versucht, eines der Motelzimmer zu mieten und sie dorthin zu locken. Aber so etwas tat er nicht mehr. Er hatte dazugelernt, und er war fest entschlossen, Verwicklungen zu meiden. Das bedeutete allerdings, dass er sie retten musste – wenn auch nur vor sich selbst.
„Ich kenne mich etwas mit Autos aus“, sagte er deshalb. „Ich sehe es mir mal an.“
„Danke“, erwiderte sie, offensichtlich überrascht.
Er war selbst ein wenig verblüfft. Warum verspürte er das Bedürfnis, ihr zu helfen? Vielleicht lag es an ihrem verletzlichen Mund oder an der ausgeprägten Fröhlichkeit – oder an ihrem knackigen Po in den engen Jeans. Jedenfalls wäre es das Beste, ihr Auto so schnell wie möglich zu reparieren und sie wieder loszuwerden.
Er streckte eine Hand aus. „Kann ich den Schlüssel haben?“
„Ich komme lieber mit.“
Also war sie nicht so vertrauensselig, wie sie aussah. Kluge Frau!
Er nahm den Schlüssel entgegen und eilte hinaus. Sie folgte ihm auf den Fersen.
Bunte Neonlichter erhellten den Vorplatz der Raststätte. Regen prasselte auf den Asphalt. Innerhalb weniger Sekunden war Drew völlig durchnässt. Mit missmutiger Miene schlug er den Kragen seiner Jeansjacke hoch und blickte sich auf dem Parkplatz um. „Welches ist es?“
„Das da.“ Sie deutete zu einem kleinen hellblauen Auto zwischen zwei riesigen Lastern.
Er setzte sich hinter das Lenkrad und drehte den Zündschlüssel im Schloss. Nichts geschah. „Wann haben Sie zum ersten Mal bemerkt, dass etwas nicht
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