Bianca Exklusiv Band 0226
Tank war beinahe leer.
Zum Glück war die Tankstelle neben der Raststätte noch geöffnet. Sie füllte den Tank und zog dann mehrere Schokoriegel sowie eine Flasche Wasser aus einem Automaten.
Kurz darauf, als sie den Zündschlüssel wieder umdrehte, geschah jedoch nichts. Mit angehaltenem Atem versuchte sie es erneut. Als der Motor ansprang, atmete sie erleichtert auf.
Inzwischen war das Wirtshaus geschlossen. Einige Motorräder röhrten vorüber. Lastwagen fuhren vom Parkplatz nach Osten, Westen und Süden, nur nicht in ihre Richtung – nach Norden.
An der ersten Kreuzung erblickte Olivia einen Schatten am Straßenrand. Ein Anhalter. Sie konnte das Gesicht nicht sehen, aber sie erkannte auf Anhieb die große drahtige Gestalt. Sie sollte weiterfahren. Aber Drew Pierce hatte ihr Auto repariert und keine Gegenleistung verlangt. Wie konnte sie ihn da in dem kalten Regen stehen lassen?
Drew stöhnte, als der kleine hellblaue Wagen anhielt. Er ging weiter, in der Hoffnung, dass Olivia den Wink verstehen und verschwinden würde.
Kein Glück.
Sie hupte ein Mal, dann ein zweites Mal. Ihre Beharrlichkeit verwunderte ihn. Als sie die Tür öffnete, strömte warme Luft aus dem Wageninneren.
„Wollen Sie mitfahren?“, fragte sie in sanftem einschmeichelnden Ton, der vermutlich einen Eisberg hätte schmelzen lassen können.
Er suchte krampfhaft nach einer Ausrede, um die Einladung abzulehnen und sich nicht weiter mit dieser Frau einzulassen, deren Anblick allein Sehnsüchte in ihm erweckte.
Vergeblich blickte er den Highway hinauf und hinunter, in der Hoffnung auf ein anderes Transportmittel ohne zierliche Blondine am Steuer. Er spürte die regennasse Kleidung auf seiner Haut.
Schließlich siegte seine Vernunft. Olivia DeAngelis aus dem Weg zu gehen war es nicht wert, sich eine Lungenentzündung zu holen. „Danke.“ Er warf sein Gepäck auf den Rücksitz und zwängte seine beträchtliche Größe auf den kleinen Beifahrersitz. „Ist es Ihre Gewohnheit, fremde Männer aufzulesen?“, fragte er ungehalten.
„Aber ich kenne Sie doch.“
Er seufzte. „Lady, Sie wissen überhaupt nichts von mir.“
„Die Kellnerin hat für Sie gebürgt.“
„Sie hat mich vor heute Abend nie gesehen.“
„Aber sie kennt Ihre Familie.“
Drew starrte sie fassungslos an. „Und das reicht Ihnen?“
„Warum nicht? Stimmt denn etwas nicht damit?“
„Natürlich nicht. Aber darum geht es nicht.“
„Worum geht es denn dann?“ Scharfe Intelligenz und trotzige Entschlossenheit sprachen aus ihren Augen, als sie beharrte: „Sie haben mir mit der Reparatur meines Autos einen Gefallen getan, und ich begleiche meine Schulden immer.“
Einen Moment lang erhellte die Innenbeleuchtung ihre blonden Haare und ihre zarte Haut. Jedes Detail von ihr prägte sich ihm ein.
Sein Blick glitt tiefer. Sie hatte die schwarze Lederjacke geöffnet. Darunter trug sie eine weiße Bluse und eine enge Samtweste mit ausgefallener Rosenstickerei. Die Weste umschmiegte ihren Körper, lenkte seine Aufmerksamkeit auf ihre schlanke Taille und das schattige Tal zwischen ihren Brüsten.
Mühsam hob er den Blick erneut zu ihrem Gesicht. Ihre Augen wirkten groß – und misstrauisch. Offensichtlich war sie nicht so tapfer oder so kühn, wie sie vorgab.
Die Innenbeleuchtung wurde schwächer, ging schließlich aus, sodass er nur noch ihre Umrisse sehen konnte.
Sie füllte jedoch immer noch seine Sinne. Er roch Schokolade und einen blumigen Duft, den er nicht zu identifizieren vermochte, der aufreizend und doch unschuldig frisch wirkte. Sanfte Musik ertönte aus dem Radio, zweifellos beruhigend gedacht, doch der sinnliche Rhythmus bedrohte seine Widerstandskraft. Fünf Jahre lang war er einer Frau nicht mehr so nahe gekommen.
Er wollte Distanz wahren zu dieser zarten Blondine mit dem lieblichen Lächeln und der vorgetäuschten Tapferkeit. Sie war zu jung, Anfang zwanzig, schätzte er, und sie ließ ihn viel zu deutlich jedes einzelne seiner zweiunddreißig Jahre spüren. Er war als großspuriger junger Mann ins Gefängnis gewandert und gealtert herausgekommen. Nicht nur die Jahre bildeten eine unüberbrückbare Kluft zwischen ihnen.
Ein gespanntes Schweigen herrschte. Sie fuhren nach Norden, passierten nur gelegentlich eine Ortschaft. Lange Strecken offenes Farmland und tiefe dunkle Wälder, die bei Nacht dicht und bedrohlich wirkten, wechselten sich ab.
An einer Kreuzung schreckte ihre Stimme ihn aus seinen Grübeleien. „Ich habe ganz vergessen, zu
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