Bianca Exklusiv Band 0226
uns nie wieder sehen, also zählt meine Meinung kaum. Oder?“
Ihr herzförmiges Gesicht mit den zarten Brauen und Lippen blieb sanft, obwohl sie sichtlich verärgert war. „Nein.“
„Wie wäre es dann, wenn Sie mir den Schraubenschlüssel reichen würden?“
„Den hier?“ Sie knallte ihm das Werkzeug so hart auf die Handfläche, dass es wehtat.
„Danke“, entgegnete er trocken. Trotz ihrer zarten Figur war sie also durchaus kräftig.
„Ich warte im Auto.“ Ungerührt schloss sie den Regenschirm und wandte sich ab.
Entschlossen widerstand er dem Drang, sie zurückzurufen und sich zu entschuldigen. Er zuckte zusammen, als sie die Tür zuschlug.
Kurz darauf hielt ein Lastwagenfahrer an und erbot sich, Starthilfe zu leisten. Wenig später war die Batterie wieder aufgeladen, und ihr kleiner Wagen sprang beim ersten Versuch an. Der Trucker fuhr mit einem Winken weiter.
Zufrieden schloss Drew die Motorhaube und wischte sich die Hände an einem Lappen ab. „So, das wär’s.“
Olivia saß auf dem Fahrersitz. Sie öffnete das Fenster. „Vielen Dank für Ihre Hilfe. Ich möchte Sie für Ihre Mühe bezahlen.“
„Nein danke.“
„Aber einen Mechaniker hätte ich doch auch bezahlt.“
Drew schüttelte den Kopf. „Das ist nicht nötig.“ Er wollte kein Geld von ihr, auch wenn er es hätte gebrauchen können. Dass sie das wahrscheinlich erraten hatte, verletzte seinen Stolz.
Doch als er in ihre großen grauen Augen blickte, sah er kein Mitleid, sondern nur Verständnis.
Nachdem er ein Leben lang kläglich versagt hatte in dem Bestreben, alle Erwartungen zu erfüllen, war er nun befreit vom Wohlstand und den Anforderungen seiner Familie. Damit befand er sich allerdings auch in einem leeren Raum. Die einsame Nacht näherte sich unaufhaltsam mit jeder Sekunde, und der Regen brachte die Kälte des Herbstes mit sich.
„Danke“, sagte sie schlicht.
„Gern geschehen.“ Mit einem spöttischen Lächeln wandte er sich ab. „Bis dann, Angel.“
2. KAPITEL
Angel.
Olivia lächelte wehmütig. Offensichtlich hatte er ihren Namen vergessen.
Sie wollte sich nicht von seinem abweisenden Verhalten verletzen lassen. Wie faszinierend Drew Pierce auch sein mochte, er war nichts weiter als ein Fremder, und dazu ein recht unfreundlicher.
Männer wie er verstanden sich nur auf eines: Frauen im Stich zu lassen. Das wusste sie selbst nach dieser flüchtigen Begegnung. Unwillkürlich ging ihr durch den Kopf, dass er für ihre Zwecke einen idealen Ehemann abgegeben hätte, nämlich einen abwesenden.
Allein die Vorstellung von einer Ehe als geschäftlicher Übereinkunft ließ sie erschauern. Selbst als vorübergehende Einrichtung war es undenkbar, doch das war der Verlust von „Stone’s End“ ebenso.
Als der Wind dicke Regentropfen durch das Autofenster blies, kurbelte sie es hoch und schaltete die Heizung zusammen mit dem Radio ein. Warme Luft verdrängte die Kälte, sanfte Musik füllte die stille Leere und übertönte ihre sorgenvollen Gedanken.
Sie wollte nicht weiter denken als daran, „Stone’s End“ zu erreichen. Doch wenn sie keinen legalen Weg fand, das Testament ihres leiblichen Vaters zu umgehen, konnte sie es nicht mehr lange ihr Zuhause nennen. Hatte sie „Stone’s End“ nur gefunden, um es wieder zu verlieren?
Erst mit neunzehn hatte sie ihre leibliche Familie kennengelernt, als ein Detektiv für die Suche nach der verlorenen Tochter engagiert worden war.
Wie sich herausgestellt hatte, war ihre Mutter, Avis, einige Jahre mit Ira Carlisle verheiratet gewesen. Nach der Scheidung hatte sie ihn verlassen, ohne ihn davon zu unterrichten, dass ein drittes Kind unterwegs war. Daher war Olivia aufgewachsen, ohne von ihrem Vater und ihren älteren Geschwistern zu wissen.
Vor sechs Monaten war Ira gestorben. Olivia trauerte ernsthaft um ihn. Er hatte seine geliebte Farm zu gleichen Teilen zwischen seinen drei Kindern aufgeteilt. Jared und Jessie hatten ihr Erbe bereits bei ihrer jeweiligen Hochzeit erhalten, sodass sie nicht mehr von dem Testament betroffen waren. Doch es stellte Olivias Leben auf den Kopf.
Ira hatte ihr einen Teil von „Stone’s End“ vermacht, nämlich das ursprüngliche Farmhaus sowie ein beachtliches Stück Land. Es gab nur einen kleinen Haken. Sie brauchte eine Heiratsurkunde, um das Erbe anzutreten, und die gesetzte Frist von einem Jahr lief in sechs Monaten ab.
Olivia legte den ersten Gang ein. Eine rote Kontrolllampe am Armaturenbrett erregte ihre Aufmerksamkeit. Der
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