Bianca Exklusiv Band 0226
stimmt?“
„Es lief gut, als ich meinen Bruder und seine Familie am Flughafen abgesetzt habe. Dann habe ich zu Mittag gegessen und ein paar Besorgungen gemacht. Es hat alles länger gedauert, als ich dachte. Der Wagen lief immer noch gut, als ich die Rückfahrt angetreten habe. Dann wurde es dunkel.“
„Und was dann?“
„Als ich das Licht eingeschaltet habe, war es schwach und wurde schwächer. Ich hatte Glück, dass ich bis hierher gekommen bin.“
Glück für wen? „Wie alt ist der Wagen?“
„Ich habe ihn aus zweiter Hand gekauft.“
„Wann war das?“
„Vor etwa vier Jahren. Man hat mir versichert, dass alle Teile original seien.“ Sie strahlte, als ob das eine gute Sache wäre.
„Dann wollen wir mal sehen.“ Er öffnete die Haube und beugte sich über den Motor. „Die Batterieklemmen sind angelaufen.“
„Aha.“ Sie holte einen gelb geblümten Regenschirm hervor und versuchte, ihn über seinen Kopf zu halten. Doch ein starker Wind blies den Regen in alle Richtungen.
Als sie nieste, warf Drew ihr einen zweifelnden Blick zu. „Warum gehen Sie nicht wieder rein?“
„Vielleicht brauchen Sie Hilfe.“ Sie lächelte ihn an, und ihre großen grauen Augen wirkten so kristallklar und unschuldig wie ein Gebirgsbach.
Er musterte sie einen Moment lang forschend. Irgendetwas an ihr erschien ihm vertraut. „Was haben Sie gesagt, wie Sie heißen?“
„Olivia DeAngelis.“
Sein Blick glitt über ihr zartes Gesicht, ihr helles Haar, das sich wie gesponnenes Gold um ihren Kopf lockte. „Sie sehen nicht gerade italienisch aus.“
In schwarzer Lederjacke und Jeans wirkte sie wie eine reizvolle Mischung aus Weltlichkeit und Unschuld, ein widerspenstiger Engel.
„Das bin ich auch nicht. Ich wurde adoptiert.“
„Sie stammen aber ursprünglich nicht von hier.“
„Wie haben Sie das erraten?“
„Durch Ihren Akzent.“ Auf dem College hatte er Leute von der Westküste kennengelernt. „Kalifornische Klänge.“
Sie lachte. „Ich bin nicht sicher, ob das ein Kompliment ist.“
Als er schwieg, schwand ihr Lächeln.
Also war es ihm schließlich doch gelungen, ihrer Fröhlichkeit einen Dämpfer aufzusetzen. Er bereute es, aber vielleicht war es besser so. Er brauchte keine Frau wie sie in seinem Leben. Er hatte keine Verbindungen. Seine Familie hatte ihn enterbt. Und unter den gegebenen Umständen konnte er es ihnen auch nicht verdenken. Die Liste seiner Übertretungen war lang.
Drew hatte unschuldige Menschen verletzt und dafür in einem Gefängnis gesessen. Die Gesellschaft hatte einen Preis verlangt, und er hatte bezahlt. Aber würde ihm das Vergebung einbringen? Er war auf dem Weg nach Hause zu den Leuten, die ihn für schuldig befunden und ins Gefängnis gesteckt hatten. Darüber hinaus hatte er keine Pläne. Er wollte nur seine wenigen Habseligkeiten holen und dann wieder verschwinden.
Er hatte kein festes Ziel im Sinn, wollte bloß so weit wie möglich fort von seiner Vergangenheit. Nur eines war sicher: Niemand würde ihn vermissen.
Keine Menschenseele.
Aber kümmerte ihn das?
Er war sich nicht sicher, und das erweckte ein Gefühl der inneren Leere.
Olivia zitterte in der kalten Herbstnacht. Sein abweisendes Verhalten verletzte sie. Normalerweise mochten andere sie, denn sie bemühte sich sehr, immer freundlich zu sein. Sie beschloss, seine Schroffheit mit Schweigen zu quittieren. Das hielt sie aber nur eine Minute durch.
„Was fehlt ihm denn?“, fragte sie alarmiert, als er sich mit finsterer Miene aufrichtete.
„Nichts. Ich habe nur die Kontakte gesäubert. Nach einer Starthilfe können Sie weiterfahren.“
„Oh.“
Zu ihrer Überraschung murmelte er: „Es tut mir leid, wenn ich unhöflich war.“
Seine Lippen waren zusammengepresst, seine Brauen zusammengezogen. Er sah allerdings nicht so aus, als ob ihm etwas leidtäte. Seine markanten Züge waren hart, und er hatte tief liegende Augen, die älter wirkten als der Rest von ihm.
„Sie halten mich für einen Hohlkopf, nicht?“ Warum tat ihr das weh? Was kümmerte es sie, was dieser Mann dachte?
„Das habe ich nicht gesagt.“ Nun gut, vielleicht hielt er sie tatsächlich für ein wenig naiv. Aber sie war auch noch sehr jung – viel zu jung und verletzlich, um allein unterwegs und von fremder Leute Hilfe abhängig zu sein.
Hätte sie zu ihm gehört …
Entschieden verdrängte er den Gedanken. „Hören Sie, ich kenne Sie nicht. Ich habe lediglich angeboten, Ihr Auto zu reparieren. Das ist alles. Wir werden
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