Bianca Exklusiv Band 0226
erwähnt. Wusstest du als Kind von deiner Herkunft?“
„Meine Mutter hat mir erzählt, dass mein richtiger Vater mich nicht wollte.“
„Verdammt“, murrte Drew.
Olivia lachte zittrig. „Ist das dein einziger Kommentar?“
„Was soll ich sonst dazu sagen? Es muss hart für dich gewesen sein, und es tut mir leid.“
„Ich nehme an, sie haben alle ihr Bestes getan.“
„Das ist aber eine sehr nachsichtige Einstellung.“
„Ich nenne es Selbstschutz. Jedenfalls bin ich froh, dass du hier bist. Kommst du mit ins Haus?“
„Ich glaube nicht, dass deine Familie erfreut wäre, mich zu sehen.“
„Sie sind alle verreist. Außerdem suche ich mir meine Freunde selbst aus.“
Er wollte ihr glauben, doch er verspürte den Drang, sie abzuweisen. Die Enthüllung ihrer Identität hatte ihn schockiert, denn sie machte ihre Beziehung, so flüchtig sie auch sein mochte, noch komplizierter. „Hat dein Stiefvater, der Bulle, dich nicht davor gewarnt, dich mit ehemaligen Häftlingen einzulassen?“
„Nein.“ Sie lächelte. Ihr Blick war von liebevollen Erinnerungen erfüllt. „Er war ein Verfechter der Rehabilitation.“
„Und was verfichtst du?“
„Ich glaube daran, dass die meisten Leute eine zweite Chance verdient haben. Du musst sie nur ergreifen.“
Drew bemühte sich, ihre Anteilnahme abzutun, die – genau wie ihre Unschuld – verlockend wirkte. Offensichtlich musste sie beschützt werden. Vor ihm und vor ihrem großen Herzen. „Du solltest wissen, dass ich erst vor ein paar Tagen aus dem Gefängnis entlassen wurde.“
„Das weiß ich.“
„Du wusstest es also die ganze Zeit?“
Sie nickte. „Ich habe nicht immer in Henderson gelebt, aber die Sache mit der Explosion im Lager der Wanderarbeiter ist allgemein bekannt. Es war ein Unfall, oder?“
„Ja, aber ich wurde angeklagt und für verantwortlich erklärt. Doch bevor wir darüber reden, möchte ich wissen, warum du so getan hast, als wüsstest du nicht, wer ich bin. Warum hast du das Thema gemieden?“
„Ich habe gar nichts gemieden. Du schienst nicht erpicht darauf zu sein, deine Vergangenheit aufzurühren, also war ich nur höflich. Ich kann mir nicht vorstellen, längere Zeit eingesperrt zu sein. Es muss furchtbar gewesen sein.“
„Ich habe es überlebt.“
„Ich nehme an, du willst auch jetzt nicht darüber reden.“
Es war zu viel verlangt, zu erwarten, dass er sich ihr öffnete und anvertraute. Seine Miene verschloss sich. „Stimmt“, bestätigte er schroff, verabschiedete sich und kehrte nach Oakridge zurück.
Nachdem er ein Feuer im Kamin entfacht hatte, durchsuchte er die Schlafzimmer, fand eine trockene Matratze und zerrte sie ans Feuer.
Als es etwas wärmer im Haus geworden war, richtete er die Küche ein. Zum Glück funktionierte der Generator noch, der für Notfälle vorhanden war. Seine Bedürfnisse waren schlicht, seine Einkaufsliste kurz – Kaffee, Brot, Käse, Obst.
Später streckte er sich auf der Matratze aus und dachte an Olivia. Sie war wundervoll mit ihren großen, grauen Augen, ihrem strahlenden Lächeln und dem überschäumenden Wesen.
Sie war außerdem Ira Carlisles Tochter. Er vermutete, dass sie einen Teil von „Stone’s End“ geerbt hatte. Es musste eine große Herausforderung bedeuten, die große Farm zu bestellen. Er fragte sich allerdings, wie sie das schaffen wollte.
Olivias Bruder, Jared, lebte in der Nähe. Doch er war ein viel beschäftigter Tierarzt, kein Farmer. Ira hatte ihm das mangelnde Interesse an „Stone’s End“ stets verübelt. Ihre Schwester Jessie liebte die Farm, war aber nach der Heirat mit Ben Harding nach Virginia verzogen. Dann war da noch Fred. Und Ramon Morales war vermutlich ebenfalls noch da und leitete die Farm.
Vor fünf Jahren hätte Ramon bei der Explosion beinahe Frau und Kind verloren. Bestimmt würde es ihn nicht freuen, Drew zu sehen.
Alles war so kompliziert. Sicher war nur eines: Olivia hatte auf seinen Kuss mit jeder Faser ihres Körpers reagiert.
Allmählich, mit jedem Atemzug, wich die Spannung des Tages von ihm.
Er träumte von Olivia. Nach all den düsteren Tagen war sie wie ein Sonnenstrahl, den er dringend benötigte.
Doch unausweichlich kommt die Nacht nach dem Tag.
Am folgenden Morgen tauchte Fred Cromie in aller Frühe auf „Stone’s End“ auf, und er wirkte nicht annähernd so fröhlich wie gewöhnlich.
„Morgen“, murrte er und setzte sich an den Küchentisch, ohne auf eine Einladung zu warten.
„Möchtest du
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