Bianca Exklusiv Band 11
ihr jetzt. Mit der Erleichterung kam die Erschöpfung. Die körperlichen und seelischen Strapazen der letzten beiden Tage verlangten ihren Tribut. Eine plötzliche Schwäche überfiel Lucy, und sie griff haltsuchend nach dem Schreibtisch.
„Was ist denn nun schon wieder los?" fragte Max kühl. „Setzen Sie jetzt auf mein Mitgefühl?"
Als Antwort begann Lucys Magen zu knurren. „Entschuldigen Sie", sagte sie verlegen, „ich habe seit einer Ewigkeit nichts mehr gegessen." Der Stolz hielt sie davon ab, Mazzardi um etwas zu bitten. Aber sie hatte auch kein Geld ... Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und sie setzte sich in einen Sessel, weil sie am ganzen Körper zitterte.
Max Mazzardi griff zum Telefon und erteilte Anweisungen. Danach herrschte Schweigen im Raum. Lucy hielt den Kopf gesenkt und hörte Max gereizt auf und ab gehen. Sie wusste, dass er immer noch wütend war. Er musste in seinem Stolz zutiefst getroffen sein.
Nach einer Weile hob Lucy den Kopf und blickte sich vorsichtig um. Sie befanden sich in einem Arbeitszimmer, dessen Wände Regale mit alten Lederbänden zierten. Verwundert stellte Lucy fest, dass die Bücher mit kleinen Ketten gesichert waren. Der Boden war aus goldfarbenem Marmor, und über ihnen wölbte sich eine Kuppel mit kunstvoll gemalten, verspielten Göttern und Göttinnen.
Lucy spürte, dass Max sie beobachtete, und sie wandte sich ihm rasch zu. Sein Gesicht hatte einen nachdenklichen Ausdruck, der sofort verschwand.
„Versuchen Sie, meinen Marktwert zu taxieren?" fragte er sarkastisch.
Lucy würdigte ihn keiner Antwort, sondern fuhr fort, sich bewundernd den Raum mit seinen eleganten antiken Möbeln anzusehen.
Ein Mann in T-Shirt, schwarzen Jeans und Turnschuhen brachte ein Tablett mit Kaffee, heißen Croissants, Honig, Kuchen und Früchten herein. Er sagte etwas zu Mazzardi, dann stellte er einen kleinen, niedrigen Tisch vor Lucy, lächelte ihr freundlich zu und ging wieder.
„Essen Sie", sagte Max. „Danach werden Sie mir alles erzählen." Er setzte sich Lucy gegenüber in einen Sessel. „Unterdessen können Sie sich Folgendes überlegen." Er lächelte triumphierend. „Von diesem Augenblick an betrachten Sie sich als meine Geisel. Bis Selina zurückkommt, halte ich Sie hier auf der Insel fest. Als meine Gefangene, Lucy. Und wenn Sie finden, ich hätte Sie hart angefasst, machen Sie sich auf eine Überraschung gefasst. Die Bestrafung, die Sie verdienen, beginnt nämlich erst. Sie werden dafür bezahlen, dass Sie mich getäuscht und hintergangen haben, dass Sie ein Flittchen sind, das mich aufs Kreuz legen wollte, und dass Sie Beihilfe zu schwerem Diebstahl geleistet haben."
Lucy wusste jetzt, was sie von Max Mazzardi zu halten hatte. Sie reagierte nicht auf seine Drohung und bestrich ein Croissant betont langsam mit Butter und Honig. Mazzardi konnte sie nicht so einfach gefangen halten, jedenfalls nicht ohne bewaffneten Wächter. Es würde ein Kinderspiel sein, von der Insel fortzukommen.
„Haben Sie gehört, was ich sagte?" fragte Max finster.
„Ja, sicher. Aber mit so etwas können Sie mich nicht einschüchtern, Mr. Mazzardi. Mit Typen wie Ihnen bin ich auch vorher fertig geworden."
„So?"
Lucy nickte. „Hm. Mit wichtigtuerischen so genannten Amtspersonen, die ihre Regeln und Vorschriften für unumstößlich halten und ihre Machtgelüste an alten Leuten ausprobieren, die nicht mehr in der Lage sind, sich selbst durchzusetzen. Einschüchterungsversuche bin ich gewöhnt."
„Sie haben die Maske des armen, verirrten Mädchens aber erstaunlich schnell abgelegt", bemerkte Max ironisch.
„Ja, nicht wahr?" Lucy blickte ihn nachdenklich an. „Und jetzt verraten Sie mir, warum ein reicher Mann wie Sie sich als zerlumpter Bootsmann maskiert und seine Motoren selbst repariert? Sie brauchen doch nur mit den Fingern zu schnippen, und einer Ihrer Angestellten springt. Oder hatten Sie gestern Ihre Peitsche verlegt?"
In Max' Augen trat ein amüsiertes Funkeln, das rasch wieder verschwand. „Ich brauche keine Peitsche. Ich beherrsche andere durch meine Persönlichkeit. Im Übrigen finde ich es angebracht, mir ab und zu die Hände schmutzig zu machen. Außerdem war es ein schöner Tag, und der See lockte. Da hatte ich das Bedürfnis, dem Papierkram und dem ständig klingelnden Telefon eine Weile zu entfliehen. Auch böse Sklaventreiber müssen gelegentlich ausspannen."
Lucy nahm sich gelassen ein zweites Croissant. „Es freut mich, dass Sie sich mit Ihrem Charakter
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