Bianca Exklusiv Band 11
durchgemacht hatte.
Sie vermied es, ihn anzusehen und hielt dem uniformierten Angestellten ihre Gepäckkarte hin, der die Taschen kontrollierte und sie dann durchwinkte.
Sie folgte Messano auf dem Weg zur Garage. Sie war nicht überrascht, als sich herausstellte, dass er einen rostigen Lieferwagen fuhr.
Ohne große Vorsicht warf er ihre Koffer auf die Ladefläche und schloss die Türen auf. Sie fragte sich, warum er sich die Mühe machte, den Wagen abzuschließen. Wer würde dieses Vehikel stehlen wollen?
Sie setzte sich auf den Beifahrersitz und suchte nach einer Stelle auf dem zerrissenen Bezug, an der ihre Strümpfe nicht hängen bleiben würden.
Der Wagen startete mit brüllendem Geschepper. Das Geräusch wurde schließlich zu einem gleichmäßigen Poltern, und nachdem Messano kraftvoll den Gang eingelegt hatte, bewegte der Wagen sich langsam rückwärts aus dem Parkplatz hinaus. Linda fühlte ihren Blick magnetisch zu den starken braunen Händen hingezogen, die. auf dem Steuer lagen, und wieder spürte sie dieses elektrisierende Gefühl, das ihr Schauer durch den ganzen Körper jagte. Mit rotem Kopf wandte sie sich ab.
Schließlich fuhren sie aus der dunklen Garage in das gleißende Sonnenlicht Miamis hinaus. Es war März, und noch vor wenigen Stunden war sie durch den New Yorker Schneematsch gelaufen. Jetzt kurbelte sie das Fenster hinunter und freute sich an der halbtropischen morgendlichen Brise.
„Ich bin erstaunt, wie spanisch Miami geworden ist", setzte sie an. „Als ich aus dem Flugzeug stieg, hab' ich einen Moment lang gedacht, ich sei in Südamerika."
Er nickte. „Miami ist fast schon eine kubanische Kolonie. Sogar die Straßen werden auf spanische Namen umgetauft."
Die Autobahn, auf der sie jetzt fuhren, würde sie durch die Everglades zu der Westküste bringen. Linda hatte sich an die Stille zwischen ihnen gewöhnt, es war ihr nicht mehr unangenehm. Trevor schien sich voll auf den Verkehr zu konzentrieren und widmete ihr keine weitere Aufmerksamkeit. Nach den letzten Stunden breitete sich nun ein Gefühl der Entspannung in ihr aus. Sie entschloss sich, die Sorgen um ihren Bruder erst einmal aus ihren Gedanken zu verdrängen, sie konnte sowieso nichts tun, ehe sie nicht in dem Krankenhaus in Palmetto ankam.
Der Motor des alten Lieferwagens schnurrte mit der Zufriedenheit einer Maschine, die an sorgfältige technische Wartung gewohnt war. Messanos breite Schulter berührte sie fast in der engen Kabine. Seine Hände auf dem Steuer gaben Linda ein Gefühl der Sicherheit. Er strahlte das Bewusstsein aus, mit jeder Situation fertig zu werden, die sich auf dieser Fahrt durch die Sumpfwildnis ereignen konnte.
Ab und zu warf Linda einen kurzen Blick auf das raue Profil dieses ungewöhnlichen Mannes. Neugier plagte sie, kein anderer Mann hatte je ein solches Interesse in ihr erweckt.
Seine bewusste Zurückhaltung lud zu Spekulationen ein. Sie ließ ihrer Fantasie freien Lauf und versuchte, ihn sich in verschiedenen Berufen vorzustellen: Kaufmann, Gebrauchtwagenhändler, Apotheker, Lieferant. Nichts von dem passte. Sie versuchte es mit Mechaniker, Feuerwehrmann, Seemann auf einem Fischfänger. Das schien ihr angebrachter - ihn umgab die Aura eines Menschen, der im. Freien, der physisch arbeitet.
Sie ließ ihre Fantasie in eine andere Richtung wandern: Wie sah sein Privatleben aus? Hatte er Frau und Kinder? Eine Frau nahm Gestalt an: lebhaft, attraktiv mit lachenden Augen und aufreizendem Hüftschwung.
Die Vorstellung war ihr unbehaglich. Mit Bestimmtheit wandte sie ihre Aufmerksamkeit von dem geheimnisvollen Trevor Messano auf die geheimnisvolle Wildnis, durch die sie fuhren. Von manchen wurden die Everglades auch „Grasfluss" genannt. Mit einer Breite von fünfzig Meilen zog sich die Sumpflandschaft mehr als hundert Meilen über die untere Halbinsel Floridas vom Okeechobee-See bis an den Golf von Mexiko. Kindheitserinnerungen wurden in ihr wach und ließen Bilder vor ihrem geistigen Auge entstehen: das kräftige, scharfkantige Gras, die riesigen, mehr als sechshundert Jahre alten Zypressenbäume, Alligatoren und kleine, grüne Baumschlangen, und die Löffelreiher, deren rosafarbene Federn zwischen dem Grün der Landschaft wie farbige Tupfer aufblitzten. Sie sah wieder kleine Wasserstraßen vor sich, die sich durch das dichte Gras wanden. Jemand, der sich ohne Erfahrung mit einem Boot in dieses Labyrinth hineintraute, lief Gefahr, sich für immer zwischen den Mangroven und schwimmenden Inseln
Weitere Kostenlose Bücher