Bianca Exklusiv Band 229
hinabblicken können. Aber ich bin einfach zu klein.“
Es zuckte um seine Lippen.
„Worüber lachen Sie denn?“
„Über Sie und Ihre wirre Denkweise.“
„Da haben Sie es! Wenn die Leute über mich lachen, kann ich keine Prinzessin sein.“
„Ich lasse nicht zu, dass jemand über Sie lacht“, versprach er.
„Außer Ihnen.“
„Außer mir.“
„Ich bin trotzdem zu klein“, beharrte sie.
„Dann sind Sie eben eine kleine Prinzessin. Machen Sie sich keine Gedanken. Ich möchte Ihnen etwas zeigen.“
Er präsentierte ihr ein kleines Gemälde aus dem 18. Jahrhundert. Es zeigte eine Frau Anfang dreißig und in der Blüte ihrer Schönheit. Sie trug ein Diadem aus Diamanten auf dem kunstvoll frisierten Haar und um den Hals die Diamantkette, die Dottie nun trug.
Es waren die Juwelen einer Königin und es überraschte Dottie nicht, der Bildunterschrift zu entnehmen, dass es sich um Königin Dorothea I. handelte. Was sie allerdings verblüffte, war das Gesicht.
„Das … das bin ja ich“, flüsterte sie.
„Die Ähnlichkeit ist frappierend“, stimmte er zu. „Es besteht kein Zweifel, dass Sie ihr Nachkomme sind. Das wird Ihnen den Weg als Königin ebnen.“
Benommen ging sie zum Spiegel, betrachtete sich selbst und dann das Porträt. Erneut hatte sie das Gefühl, sich in eine andere Person zu verwandeln, und die Frau auf dem Bild schien ihr stumm mitzuteilen, dass sie in diesen Palast gehörte.
5. KAPITEL
Die schweren, vergoldeten Türen wurden geöffnet, und Dottie starrte in einen Saal, der endlos lang zu sein schien. Ein roter Teppich, gesäumt vom Hofstaat, führte zu einem Sessel aus rotem Samt, der unter einem roten Baldachin mit dem königlichen Wappen auf einem Podest stand.
Randolph nahm ihre Hand und hob sie beinahe bis auf Schulterhöhe. Sie fragte sich, ob er ihr Zittern wohl spürte, und warf ihm einen Seitenblick zu. Doch er blickte starr geradeaus. „Mit dem linken Fuß voran“, flüsterte er ihr zu, „und immer schön lächeln!“
Während sie langsam über den Teppich schritten, sah sie auf den Gesichtern des Hofstaats Feindseligkeit und Neugier, aber überwiegend Verblüffung wegen ihrer unverkennbaren Ähnlichkeit zu Königin Dorothea.
„Der Sessel … ist das …?“
„Ja, das ist der Thron.“
„Oh, verdammt!“
„Dottie, ich flehe Sie an, sprechen Sie dieses Wort nie wieder aus.“
„Was soll ich denn sonst sagen?“
„Wenn Sie Überraschung ausdrücken wollen, sagen Sie ‚du meine Güte‘.“
Ein unterdrücktes Lachen ertönte.
„Dottie!“
„Ich kann nicht ernst bleiben. ‚Du meine Güte‘, habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesagt.“
„Dann fangen Sie jetzt damit an.“
Im Laufe dieses geflüsterten Gesprächs hatten sie den Thron erreicht und drehten sich nun um. Randolph stellte sie in einer kurzen Ansprache vor und bedeutete ihr, sich auf den Thron zu setzen, während er stehen blieb.
Einer nach dem anderen traten die Höflinge vor, verbeugten sich oder knicksten, während Randolph deren Namen nannte.
Dann trat Sophie Bekendorf vor, mit ebenso trotziger, zorniger Miene wie zuvor unter dem Balkon. Ihre Schönheit war geradezu vollkommen. Ihr heller Teint wirkte makellos rein wie Porzellan. Ihre Züge waren ebenmäßig, ihre Augen groß und dunkel, ihre kastanienbraunen Haare seidig. Doch vor allem ihre vollen, sinnlichen Lippen mussten Männerherzen einfach höher schlagen lassen. Wie hätte Randolph sie nicht lieben, je eine andere lieben können?
Alle Anwesenden verfolgten die Begegnung der beiden Frauen voller Neugier und warteten darauf, dass Sophie knickste. Sie blieb jedoch so lange stehen, dass ein aufgeregtes Geraune durch die Menge ging. Im letztmöglichen Augenblick deutete sie einen Knicks an und ging hoch erhobenen Hauptes davon.
Sophie hatte Dotties Missfallen erregt, doch ihr Bruder ließ ihr die Haare im Nacken zu Berge stehen. Er sah gut aus, wirkte jedoch durch und durch unverschämt in seinem Auftreten. Abschätzig ließ er den Blick über ihre Gestalt wandern und lächelte spöttisch. Empört reckte sie das Kinn vor und blickte über seinen Kopf hinweg.
Dann war die Zeremonie glücklicherweise zu Ende, und sie konnte den Rückweg über den roten Teppich antreten. Als sich die goldenen Türen hinter ihr schlossen, atmete sie erleichtert auf.
„Sie haben sich ausgezeichnet gehalten“, lobte Randolph. „Sie haben genau die richtige distanzierte Miene aufgesetzt.“
„Ich fühle mich wie eine Marionette,
Weitere Kostenlose Bücher