Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers
nicht ausbleiben, dass es einen nicht selber getroffen hatte. Freilich sprach keiner darüber, aber es ist nun einmal Menschenart, sich am Tod eines anderen – wenn er kein Freund oder Verwandter ist – aufzurichten und ein wenig zu wachsen.
Von da an war die Reise das reinste Vergnügen, denn weder schlechtes Wetter noch widrige Winde hinderten den Segler an seiner zügigen Fahrt.
|117| In Salerno wurden sie von einer Abordnung der Stadt so festlich empfangen, dass Giordano sich staunend fragte, ob da nicht eine Verwechslung vorliege. Der
podestà
hielt eine kurze Rede des Inhalts, dass vom Kaiser geladene Gäste höchsten Respekt verdienten und man bemüht sein werde, ihnen jeden Wunsch zu erfüllen. Auch ein kaiserliches Schreiben lag vor, das neben einem Willkommensgruß die Anordnung gab, nicht über, sondern an Melfi vorbeizureisen. Die Reiseroute war genau angegeben und die zur Übernachtung geeigneten Orte genannt.
Ende März erreichten sie spätabends das Städtchen Canosa di Puglia, das seinen Beinamen stolz und auf des Kaisers nachdrücklichen Befehl trug. Es sollte nicht mit der gleichnamigen Burg bei Parma verwechselt werden, wo Kaiser Heinrich IV. vor einhundertfünfzig Jahren seinen schimpflichen Bittgang zu Papst Gregor VII. getan hatte. Auch der jetzige Papst hatte diesen Namen gewählt, doch Kaiser Friedrich ließ keinen Zweifel daran, dass er diesen Gang nicht wiederholen würde – in welcher Lage auch immer.
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In dem Kastell zu Melfi sah die hochschwangere Königin Jolanda ihrer ersten Geburt entgegen. Die knapp sechzehnjährige Kindfrau hatte sich in ein hässliches Wesen verwandelt. Ihr Leib war so aufgetrieben, dass er die groteske Form eines prall gefüllten Sackes angenommen hatte, das sanfte kindliche Gesicht war mit seiner gelblich gefleckten Haut und den unter Wülsten halb verborgenen Augen zu einer abstoßenden Fratze geworden. Die im Grunde gutmütige Anais diente ihr mit einer Mischung aus schlechtem Gewissen und Mitleid auf selbstlose Art. Täglich segnete sie ihr in Syrien erworbenes Wissen um die fruchtbaren Tage der Frau, sodass es trotz Friedrichs häufigen und heftigen Beischlafs nie zu einer Empfängnis gekommen war.
Jolanda war in den letzten Wochen auch geistig so stumpf und träge geworden, dass kaum noch ein Gespräch mit ihr möglich war. Anais hingegen drängte es, über Friedrich zu sprechen, freilich ohne Hinweis darauf, dass er längere Zeit ihr Geliebter gewesen |118| war. Vielleicht wusste Jolanda es längst? Der Kaiser hatte ja nichts getan, um ihr Verhältnis zu verbergen und, wenn hunderte Bescheid wissen, werden tausende darüber reden. Ob davon etwas nach Terracina gedrungen war? Vielleicht nicht, aber Jolanda lebte seit zwei Monaten in Melfi und da wusste jedes Kind Bescheid.
So hatte Anais sich vorgenommen, ganz behutsam die Fühler auszustrecken. An einem frühlingswarmen Tag führte sie die Königin ins Freie, ließ einen bequemen Stuhl und eine Decke bringen und nahm auf einem Hocker daneben Platz. Jolanda blinzelte mit ihren trüben, verschwollenen Augen in die Sonne, schloss die Lider und schien eingenickt. Anais begann leise zu reden und überließ es dem Zufall, ob Jolanda sie hörte.
„Es hat ja schon in deiner Hochzeitsnacht begonnen, die im Grunde keine war, doch müssen wir es so sehen: Friedrich hat Rücksicht darauf genommen, dass du – was ja den Tatsachen entsprach – noch ein Kind warst. Mit dreizehn! Was hätte ich tun sollen? Ich redete mir ein, dich als Verwandte in diesem etwas heiklen Fall zu vertreten.“
Hörte Jolanda zu? Sie zeigte keine Regung, gab durch tiefes Atmen auch nicht zu erkennen, ob sie eingeschlafen war. Anais sprach weiter, rückte aber zuvor noch etwas weg und dachte: Wenn sie mich hören will, wird sie mich bitten, lauter zu sprechen.
„Friedrich ist ein Mann, dem es sehr schwerfällt, enthaltsam zu leben. Siehst du das auch so? Manche werfen ihm vor, die Frauen nur zu benutzen, um einen klaren Kopf zu bekommen. Ich glaube das nicht – nein, das sehe ich anders. Wer ihn näher kennt, muss es anders sehen. Und ich kenne ihn näher, das darfst du mir glauben. Bei ihm hatte ich eher den Eindruck, dass ihm Frauen viel, sehr viel bedeuten. Er hört nicht weg, wie die meisten Männer, wenn sie reden, geht auf unsere Wünsche ein, gibt selber Anregungen – als Frau fühlt man sich bei ihm gut aufgehoben und verstanden. Du kannst das nicht wissen, ihr wart ja so selten beisammen – zwei- oder
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