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Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers

Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers

Titel: Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp von Zabern Verlag
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sich ducken oder nach einem Loch schielen, in dem sie sich verkriechen konnten, sie wurden zur Strecke gebracht!
    Eine Flut von Gedanken stürmte auf ihn ein, darunter nutz- und sinnlose. Warum eine Spanne im Italienischen zwar
spanna
, aber auch
palmo
heißt? Die Deutschen sagen Spanne und damit war die Entfernung von der Spitze des Daumens bis zur Spitze des kleinen Fingers einer Männerhand mit gespreizten Fingern gemeint. Gespannte Finger – Spanne.
    Doch er wollte ganz Ohr sein, wie er bei Petrus de Vinea ganz Auge war und im bärtigen Gelehrtenkopf des ungemein geschickten Verräters den Verrat entdeckte. Nicht am Kopf, sondern an der Stelle des Kopfes, wo die beiden Augen saßen, schmale Augen, kluge Augen, doch eines Tages war darin der Schimmer des Verrats zu erkennen. Der Kaiser, vom Papst gebannt, wird bald stürzen, sagten die verräterischen Augen, und wird mich, den allzeit getreuen Petrus mit in den Abgrund reißen. Ist es das wert? Habe ich deshalb meine Reichtümer angehäuft, um mit dem entthronten und geächteten Kaiser zugrunde zu gehen? So aber ist er durch mich und nicht mit mir vernichtet worden. Vernichtet? Das richtige Wort? Ein besseres: ausgemerzt, zerstört, beseitigt, zerschmettert … Wie auch immer. Der größte Fehler dieser Verräter und Eidbrecher war, ihn, den Kaiser, zu unterschätzen. Was waren sie denn schon vor Seiner Herrlichkeit? Was hatten sie diesen majestätischen Worten entgegenzusetzen:
    Imperator Fridericus Secundus
    Romanorum Caesar Semper Augustus
    Italicus Siculus Hierosolymitanus Arelatensis
    Felix Victor Ac Triumphator
?
    Warum aber fehlt das
Rex Germaniae
? So fragten nicht wenige, und er war zu stolz, es zu beantworten, während die Klugen nicht fragten, sondern wussten, dass ihn die Kurfürsten zum deutschen König gemacht hatten – im Grunde ein leerer Titel, der sich auslöschen und auf einen anderen übertragen ließ. Aber alles Übrige hatte er ererbt und erheiratet oder – die Kaiserkrone – durch den Stellvertreter Christi auf Erden verliehen bekommen.
    Da hörte er deutlich die Stimme seines Sohnes Manfred vom Fenster her. Ganz Ohr wollte ich doch sein …
    |8| „Wird er es überstehen?“
    Nun war Magister Johannes kein Mann der Körpersprache, niemals nickte er, schüttelte den Kopf oder hob die Schultern. So auch jetzt. Er trat ein wenig näher und sagte etwas.
    Er könnte ruhig lauter sprechen, dachte der Kaiser, er hat doch gesehen, dass ich schlafe. Aber aus Manfreds erfreutem Nicken konnte er sehen, dass es eine positive Antwort gewesen war.
    Friedrich aber fühlte, dass er sterben musste. Seit wann? Seit heute, seit gestern? Eigentlich schon, seit sie nach dem Jagdausflug dieses kleine Kastell betreten hatten. So wenig der Kaiser an einen allmächtigen Gott glaubte, der als bärtiger Greis das Universum regierte, so viel hielt er von der Botschaft der Sterne. Der weithin berühmte Michael Scotus hatte bis zu seinem Tode, das war im Jahr von Manfreds Geburt gewesen, am kaiserlichen Hof gelebt. Der Astrologe hatte zu den wenigen gehört, die den Kaiser mit „Dominus“ anreden durften, auch zu den wenigen, die immer empfangen wurden.
    Ob er nicht doch ein Betrüger war? Seine äußerliche Ähnlichkeit mit Petrus de Vinea war groß, doch die beiden mochten sich nicht. Scotus hielt den Großhofrichter für einen von maßlosem Ehrgeiz besessenen Mann, der alles tat, um bei mir in Gunst zu stehen. Petrus aber, um es geradeheraus zu sagen, nannte Scotus einen geschickten Betrüger, doch ich mischte mich nicht in diesen Streit. Michael Scotus hatte, wie man so sagt, des Kaisers Ohr – aber ich schweife ab …
    Friedrich öffnete die Augen und da stand niemand mehr am Fenster. Hatte er geschlafen? Was war mit diesem Kastell, warum …? Ja, jetzt fiel es ihm ein und die Verbindungsschnur von Magister Scotus zum Castel Fiorentino spannte sich. Als er ihn nach der Art und dem Zeitpunkt seines Todes fragte, blickte der Bärtige ihn ernst an. Scotus gehörte zu den wenigen Menschen, die den jähen, feurigen Blick des Kaisers ruhig aushielten.
    „Der Zeitpunkt, Domine, liegt allein in Gottes Hand. Die Art des Todes? Nun, alles weist darauf hin, dass Ihr
sub flore
sterben werdet.“
    Sub flore
– unter Blumen? Scotus gab trotz dringender Nachfrage keine weiteren Erklärungen. Er sagte, mehr wisse er auch nicht und sollte sich wider Erwarten sein diesbezügliches Wissen erweitern, so werde er es sofort an den Dominus weitergeben. Nun, es kam nichts mehr,

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