Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers
blieb es zunächst. Nach einer kurzen Ruhepause traten die Presswehen ein und der Rumpf des Kindes glitt zusammen mit dem Fruchtwasser heraus. Dann kam die Nachgeburt und mit ihr das Blut, Jolandas Blut, und es strömte und strömte. Weder die Hebammen noch die Ärzte konnten dem Einhalt gebieten und mit dem Blut floss Jolandas Lebenskraft davon. Geisterbleich lag sie da, mit blutgetränkten Tüchern auf dem Leib und dann tat sie lächelnd den letzten Atemzug, gerade als draußen die Sonne aufging. Ja, sie lächelte, befreit, entspannt und glücklich, sich aus diesem trostlosen Leben davonstehlen zu können. Der Knabe aber war gesund, kräftig und gedieh prächtig. Nach dem |121| schon länger geäußerten kaiserlichen Wunsch sollte er den Namen Konrad erhalten, bei einem Mädchen stellte er es in das Belieben der Mutter.
Anais war wie gelähmt. Mit allem hatte sie gerechnet, aber nicht damit. Jolandas Tod ließ sie als Hofdame und Gesellschafterin überflüssig werden. Sie befand sich in einem seltsamen Schwebezustand: einerseits über den Dingen, andererseits mit ihnen auf vielfältige Weise verhaftet. Sie war Jolandas Verwandte, sie war ihre Vertraute, sie war aber auch des Kaisers Geliebte gewesen, und nicht nur für eine Nacht – Vergangenheit, bitter und süß. Jetzt aber war sie nichts als eine heimat- und bindungslose Syrerin.
Der von Jolandas Sekretär verfassten Todesnachricht legte sie einen persönlichen Brief an den Kaiser bei.
„Dieser große Verlust trifft nicht nur Eure Majestät, sondern auch mich, die Verwandte und Vertraute der Königin. Da meine Aufgabe nun auf diese tragische Weise ein Ende gefunden hat, lege ich meine Zukunft in die Hände Eurer Majestät.“
Anais hielt es für das Beste, alles dem Kaiser zu überlassen. Wenn ihr seine Zukunftspläne nicht gefielen, stand es ihr frei, sie abzulehnen. Das durften die meisten anderen nicht, aber sie stammte aus adligem Haus und musste sich höchstens einem Familienrat fügen.
Als Giordano mit Bianca und seiner kleinen Truppe in Barletta eintraf, ging es hier anders zu als in jenem unseligen Sommer, da Brindisi überkochte und die Seuche wie ein schwarzer Todesengel die Menschen zu tausenden abwürgte. In der kühlen, belebenden Frühlingsluft kamen keine schwarzen Gedanken auf und allein beim Anblick der Zeltstadt im Westen von Barletta hoben sich die Herzen. Das Adlerbanner wehte über dem brokatenen Purpurzelt des Kaisers. Auch die Grafen und Barone hatten sich nicht lumpen lassen, stolzierten in prunkenden Festkleidern durch die Stadt, bewundert von den Frauen, beneidet von den Männern. Einige freilich vermieden jedes Aufsehen und trugen das schmucklose Habit der Kreuzfahrer, begleitet von Söldnern, die demonstrativ die kreuzgeschmückte Fahne vor ihnen hertrugen.
Giordano ließ sofort einige Zelte errichten, darunter ein kleineres, nur für Bianca und ihre
serva
Anna gedacht. Gleich nach der Ankunft hatte er sich beim Kaiser melden lassen und wurde schon am nächsten Morgen zur Audienz befohlen.
|122| In der Aufbruchstimmung des bevorstehenden Kreuzzuges verzichtete Friedrich auf jeden kaiserlichen Glanz, nur ein schmaler Goldreif mit kleinen Lorbeerblättern funkelte im rötlichen Haar und wies auf seinen hohen Rang hin. Bei Giordanos Anblick verdüsterten sich seine Züge und er fragte:
„Konnte Euer Bruder nicht kommen?“
„Nein, Majestät, es steht alles in diesem Schreiben …“
Er streckte es dem Kaiser hin, doch sofort sprang ein Sekretär herbei und nahm es ihm ab. Friedrich dachte kurz nach und sagte dann:
„Es ist auch besser, das Haupt der Familie vertritt Unsere Interessen in Pisa – seid also willkommen, Giordano Lancia! Und Eure Schwester?“
„Bianca wartet in ihrem Zelt. Hat die Königin Jolanda schon …?“
Friedrich schüttelte leicht den Kopf.
„Wir erwarten täglich eine Nachricht aus Melfi.“
Am Abend lud der Kaiser zu einem Bankett, wozu ein großes Mannschaftszelt ausgeräumt und festlich geschmückt wurde. Es waren auch einige Damen geladen, doch man musste schon genau hinsehen, um ihre bunteren Kleider unter den meist dunklen Festroben der Herren auszumachen. Nur manche der Jüngeren trugen sich stutzerhaft mit überlangen Schnabelschuhen und prunkvoll verzierten Gürteln.
Der Kaiser saß an der Stirnseite einer kleinen Tafel, zusammen mit den Bischöfen Berardo von Palermo, Jacobo von Capua und einigen engen Vertrauten wie Hermann von Salza und Petrus de Vinea. Giordano und
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