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Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers

Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers

Titel: Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp von Zabern Verlag
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    Von Michael Scotus war bisher nicht die Rede gewesen, weil der Kaiser ihn – was dem Astrologen sehr recht war – etwas abseits |141| hielt. Ursprünglich stammte er aus Schottland, hatte als junger Mann in Paris studiert und schon bald den Grad eines Magisters erreicht. Schnell erwarb er sich einen europaweiten Ruf als kritischer Astrologe, umfassend gebildeter Philosoph und als Übersetzer von Schriften der aristotelisch-arabischen Philosophie. Zugleich hing ihm der Ruf an, ein schwarzer Magier zu sein, zweifelhafte alchemistische Experimente zu unternehmen und weniger an Gott als an die Sterne zu glauben. Mastro Michele, wie man ihn in Italien nannte, wusste nur zu gut, wie schnell ein solcher Ruf ihn als Häretiker auf den Scheiterhaufen führen konnte, und verfasste ein astrologisches Handbuch, in dem er unmissverständlich seinen rechten, kirchengetreuen Glauben darlegte. Damals war er schon an Friedrichs Hof und wenn der Kaiser Zeit fand, führte er mit dem bärtigen Gelehrten lange Gespräche.
    Petrus de Vinea aber sah in dem Astrologen, den er vor anderen einen Scharlatan nannte, einen Feind und Widersacher. Schon dass sie sich durch dichte Vollbärte so ähnlich sahen, erzürnte ihn. Dabei gab es für beide nicht den geringsten Anlass, einander um etwas zu beneiden, denn der Kaiser sprach mit Michael niemals über politische Dinge und mit Petrus kaum über Astrologie, Alchemie oder Philosophie.
    Ja, Friedrich ließ sich von Mastro Michele auch Horoskope zu politischen oder persönlichen Fragen stellen, die er aber niemals sklavisch befolgte, sondern nur als Richtschnur ansah, manchmal auch völlig missachtete. Mastro Michele unterstützte das mit der Meinung, er sehe die Bahnen der Planeten nicht als Ursache bestimmter Ereignisse, sondern als deren Zeichen. Ohne dass es einer der beiden Männer aussprechen musste: Kaiser und Astrologe waren sich sehr ähnlich in der Betrachtung der Welt und ihrer Erscheinungen.
    Nun lebte Mastro Michele in der Palastburg von Melfi und wartete mit Bianca und vielen anderen auf Friedrichs Rückkehr. Die Geburt des Mädchens am Christtag machte ihn tatsächlich ganz konfus. Er hatte sich darauf eingerichtet, dem Kind sogleich das Horoskop zu stellen, aber nicht darauf, dass es Christi Geburtstag zu seinem eigenen gemacht hatte. Da kam wieder die dunkle Seite in dem sonst so nüchtern abwägenden Gelehrten zum Vorschein und er suchte mit magischen Mitteln zu ergründen, was es mit diesem so ganz besonderen Geburtstag auf sich hatte.
    |142| Er ließ sich ein Schaff Wasser in seine Turmstube bringen und goss davon etwas in eine kleine Schale. Inzwischen hatte er auf ein geweihtes Stück Papier Geburtstag und Namen der kleinen Costanza geschrieben, samt denen von Vater und Mutter. Das Papier setzte er mit der Flamme einer geweihten Kerze in Brand und streute die Asche in die Schale. Dann brachte er Bienenwachs zum Schmelzen und goss es in drei Schüben langsam dazu. Dreimal erstarrte das Wachs in dem kalten Wasser zu formlosen Klumpen. Formlos? So mochten es andere sehen. Mastro Michele legte die Klümpchen nebeneinander auf den Tisch und siehe da – sie ähnelten sich auffällig.
    Wie kann etwas Formloses sich ähneln? Aber da war doch eine Form, Michele erkannte sie deutlich: Das waren die Umrisse von Kronen, sogar die Zacken waren zu sehen. Nun hätte man erwidern können, das sei nicht ungewöhnlich, denn schließlich sei Costanza die Tochter eines Kaisers und Königs sowie einer Gräfin aus altem Geschlecht. So wiesen die Kronen auf die hochgeborenen Eltern hin. Diesem Einwand begegnete Michele mit dem Hinweis, dass Magie nicht das zu zeigen habe, was bereits sei, sondern das, was im Verborgenen ruhe und sein werde.
    Doch der Gelehrte gab sich nicht mit dem einen Versuch zufrieden. Er schmolz Blei und ließ dreimal etwas davon ins dampfig aufzischende kalte Wasser tropfen. Was war das? Er, der längst das Staunen verlernt hatte, riss überrascht die Augen auf und beugte sich über die drei Bleistücke. Eines davon war länglich erstarrt, eines rund und das dritte ähnelte den gezackten Wachsklumpen.
    „Reichsapfel, Szepter und Krone“, flüsterte er ergriffen.
    Freilich gab es auch Zweifel, denn ein anderer hätte die amorphen Formen auch anders deuten können. Michael Scotus war es nicht vergönnt, Gewissheit zu erlangen: Er starb schon drei Jahre später und durfte nicht mehr erleben, wie sich die Vorzeichen tatsächlich an Costanza erfüllten.

11
    Ehe der

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