Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers
Kaiser Jerusalem verließ, wollte er der weithin berühmten und altehrwürdigen Al-Aqsa-Moschee einen Besuch abstatten. Am Eingang drängte sich ein zerlumpter Mönch heran, hob das Evangelium |143| wie eine Waffe und bettelte um Almosen. Das erzürnte Friedrich so sehr, dass er seiner Leibwache befahl, den Mann wegzuprügeln. Er rief ihm hinterher:
„Du Schwein! Der Sultan hat uns gnädig erlaubt, diesen heiligen Ort zu besuchen und du wagst es, hier das Evangelium zu küssen wie eine Fahne! Dafür gehörtest du totgeschlagen!“
Der Zorn hatte aus ihm geredet, doch es wurde auf beiden Seiten übel vermerkt. Die Muselmanen verstanden es nicht, dass ein christlicher Herrscher seinen eigenen Glauben so schmähte, und bei den Christen ging die Rede, Friedrich sei heimlich ein Muselman geworden, um beim Sultan solche Zugeständnisse zu erreichen. Die ganz Frommen sahen ihn mit dem Teufel im Bund und hofften, er möge bald zur Hölle fahren.
Schon auf dem Weg nach Akkon erreichten den Kaiser einige Hiobsbotschaften. Johann von Brienne – sein Schwiegervater – hatte ihm die schnelle Übernahme der Krone von Jerusalem nicht verziehen und fiel mit päpstlichen Truppen in Apulien ein. Um die Sache voranzutreiben, setzte Papst Gregor das Gerücht in die Welt, der Kaiser sei von empörten Pilgern ermordet worden. In Akkon angelangt, wurde Friedrich berichtet, dass in der Stadt eine Art Bürgerkrieg im Gang sei, nämlich Kaiserliche gegen Päpstliche. In den Kirchen hetzten Predigermönche gegen den „Antichrist“ – so nannten sie ihn jetzt. Diesen Brand hatte der Patriarch Gerold vielleicht nicht entfacht, aber er schürte ihn nach Kräften. Der Kaiser stellte ihn unter Hausarrest, ließ die Hetzprediger von den Kanzeln holen und einsperren.
Friedrich wäre längst abgereist, doch die Kapitäne weigerten sich, bei dem stürmischen Aprilwetter Segel zu setzen. Am ersten Mai war es dann endlich so weit. Als der Kaiser zum Hafen ritt, bewarf ihn der Pöbel mit Kot, faulem Obst und stinkenden Fischresten. Friedrich hatte seinen Wachen verboten, etwas dagegen zu unternehmen, denn „die Leute wissen wahrhaftig nicht, was sie tun, wenn sie den vom Papst gesäten Hass hier aufgehen lassen“.
Giordano Lancia erlebte dies alles von Anfang bis Ende mit und war dem Kaiser durch Mut, Draufgängertum und unwandelbare Treue aufgefallen. Freilich vermochte er dabei seine jähe Natur nicht immer im Zaum zu halten, was er später bereute, aber nicht ungeschehen machen konnte.
|144| Den letzten Streich hatte ihm sein Temperament einige Tage vor der Abreise gespielt, als er vor dem Franziskanerkloster einen Bettelmönch – trotz kaiserlichen Verboten – von einem Fass herabpredigen hörte. Offenbar unfähig, mit eigener Rede die Menschen zu entflammen, zitierte der Mönch ständig aus der Apokalypse, verglich Friedrich mit Babylon, der großen Hure, und brüllte schließlich mit sich überschlagender Stimme: „Und danach sah ich einen anderen Engel niederfahren vom Himmel, der hatte eine große Macht und die Erde ward erleuchtet von einer Klarheit.“ Dann streckte der Mönch beide Fäuste zum Himmel und jubelte: „Und wisst ihr, wer dieser Engel ist? Es ist Papst Gregor, der die Hure Friedrich vernichten wird, und es wird bald geschehen! Gott kann nicht länger zusehen …“
In diesem Augenblick packte Giordano ihn an der Gurgel, riss ihn von seinem Fass und verprügelte ihn derart, dass seine Männer ihn zurückreißen mussten. Der Mönch lag ächzend am Boden, mit blutverschmiertem Gesicht und zerrissener Kutte. Giordano schrie ihn an:
„Wobei kann Gott nicht länger zusehen? Los, sag’s schon!“
Doch aus seinem Mund kam nur ein Röcheln und dann spuckte er zwei eingeschlagene Zähne aus. Giordano grinste böse: „Ich werde es dir sagen: Gott kann nicht länger zusehen, dass ein stinkendes Geschmeiß wie du den von ihm erwählten Kaiser so unflätig schmäht.“
Dann wollte er sich wieder auf den Liegenden stürzen, doch seine Männer zerrten ihn fort.
Wenig später kam das dem Kaiser zu Ohren und er sagte: „Nicht jeder besitzt die Kraft einer eisernen
moderatio
, wenn er solche Töne hört. Graf Lancia hat ein jähes Wesen, dafür ist er tapfer, treu und zuverlässig.“
Als Giordano diese Worte hinterbracht wurden, nickte er und meinte: „Der Kaiser weiß, wie ich bin, aber auch, was ich bin.“
Am zehnten Juni fuhren sie in den Hafen von Barletta ein. Schon dass die kaiserliche Standarte hoch auf dem
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