BIANCA SPEZIAL Band 03
Tür. Er brannte darauf, ins Auto zurückzukehren und Antworten zu finden.
Er hatte nie damit gerechnet, noch einmal Vater zu werden. Es schien eine Ewigkeit zurückzuliegen, seit er Umgang mit einem Baby gehabt hatte. Daher war er völlig unvorbereitet auf die instinktive Woge des väterlichen Beschützerdrangs, der bedingungslosen Liebe, die ihn erfasst hatten, sobald er begriffen hatte, dass Bonny von ihm war.
Gut vier Jahre war es her, seit er seinen Sohn Joshua zum letzten Mal im Arm gehalten hatte.
Bilder schossen ihm durch den Kopf, von zerknautschtem Metall, einem leeren Babysitz mitten auf der Straße, der Handtasche seiner Ehefrau auf dem Boden des Vordersitzes …
Die Gesichter seiner Familie waren in seine Erinnerung eingegraben. Sie verfolgten ihn des Nachts, und wann immer er Zufriedenheit verspürte, ermahnten sie ihn, dass er es nicht verdiente, glücklich zu sein.
Chad heftete den Blick auf Robert Morgans Rücken, der gerade die Akten kopierte, aber er sah ihn eigentlich nicht.
Sie hatten gestritten an jenem Tag, er und Linda. Im Geiste sah er ihre gepackten Koffer im Flur stehen und Tränen an Joshuas Wimpern hängen. Sie hatte ihm vorgeworfen, die Karriere vor seine Familie zu stellen, wie so häufig. Aber an jenem Abend hatte es ihr endgültig gereicht. Sie hatte ihn verlassen und zu ihren Eltern in Pittsburgh fahren wollen.
Es war ein Unfall, rief eine innere Stimme. Doch er weigerte sich, darauf zu hören. Er trug die Schuld. Er hatte seine Familie umgebracht, so als hätte er den Wagen persönlich von der Straße gelenkt.
Chad Hogan, Geheimagent beim FBI, hatte es nicht verkraften können. Er hatte den Dienst quittiert und Gelegenheitsarbeiten angenommen, um sich über Wasser zu halten, und sich eine lebenslange Strafe aufgebürdet.
Dann war Hannah gekommen. Die Schatten der Vergangenheit waren allmählich zurückgewichen. Mit ihren üppig roten Haaren, den lustigen Sommersprossen und dem ansteckenden Lachen hatte sie das Leben geliebt und für die Liebe gelebt. Er hatte sich zu ihr hingezogen gefühlt wie ein Süchtiger zu Drogen.
„Ich wünschte, ich könnte mehr für Sie tun.“
Chad blinzelte die Bilder fort, die vor seinem geistigen Auge aufgestiegen waren. Er nahm die beiden Aktendeckel entgegen, die Robert Morgan ihm reichte, und schüttelte ihm die Hand. „Schon gut. Vielen Dank für Ihre Hilfe, Sir.“
„Du meine Güte, wir wollen aber neuerdings unabhängig sein, wie?“ Hannah gab Bonnys ernsthaften Versuchen nach, sich ihren Armen zu entwinden, und setzte sie auf den Fahrersitz.
Nervös blickte sie sich in der Tiefgarage um. Mit Chads Marke waren sie problemlos hereingekommen, aber ihre Anspannung würde erst nachlassen, wenn sie Play Co In dustries weit hinter sich gelassen hatte und endlich von Chad erfuhr, wie er dazu stand, eine Tochter zu haben.
Bonny schloss die kleinen Finger um die Türklinke. Offensichtlich wollte sie Chad folgen. Um sie abzulenken, holte Hannah eine Packung Kekse aus ihrer Handtasche und gab ihr einen. Sie legte den Kopf zurück an das Lederpolster. Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie ihm auch folgen wollen. Stets und überallhin.
„Die Situation ist verrückt“, sinnierte sie. „Normalerweise würde Mommy dich jetzt in unserer gemütlichen kleinen Küche füttern.“
Bonny griff nach einem zweiten Keks.
„Was hast du in den letzten fünfzehn Monaten noch alles angestellt, Chad?“, murmelte Hannah und holte seinen Rucksack vom Rücksitz. Bonny stieß einen missbilligenden Laut aus. „Keine Sorge, Bonbon. Mommy wirft nur mal einen Blick hinein. Da ist doch nichts dabei.“
Bonny starrte sie mit zusammengezogenen Brauen an.
Hannah lachte. „Ein Glück, dass du noch nicht sprechen kannst. Sonst würdest du es Daddy sofort erzählen.“
Es gehörte zu ihrem Beruf, die Sachen anderer Leute zu durchsuchen, um ein Profil über sie erstellen und erraten zu können, wohin sie geflohen sein mochten. Bei Chad lag der Fall jedoch ganz anderes. Sie fühlte sich ungezogen und verräterisch. Doch ihr Wissensdrang überflügelte ihren Ehrenkodex.
Zögernd kramte sie zwischen Kleidungsstücken auf der Suche nach einem Hinweis darauf, was er getan hatte, seit er sie und New York verlassen hatte. Sie stieß auf etwas Hartes und zog eine halb volle Flasche Wodka heraus. Chad trank nicht. Zumindest hatte er es früher nicht getan.
Sie legte die Flasche zurück in den Rucksack, griff tiefer hinein und ertastete einen flachen Gegenstand. Sie
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