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Bibel der Toten

Bibel der Toten

Titel: Bibel der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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Anflug von Geringschätzung mit.
    »Ja, das entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Die Amerikaner dachten, sie könnten sich die Roten Khmer als Bollwerk gegen den vietnamesischen Kommunismus zunutze machen. Aber inzwischen möchten natürlich viele Amerikaner die Vergangenheit aufgearbeitet haben, vor allem die Khmer-Diaspora.«
    »Leute wie du?«
    »Ja, Leute wie ich. Kambodschaner, die wie ich in die Heimat zurückkehren. Und die Wahrheit wissen wollen.«
    Das Auto fuhr langsamer.
    Vor ihnen tauchten Straßenlaternen auf. Sie kamen in eine kleine Stadt. Mit Läden, oder zumindest zur Straße hin offenen Garagen. Das Warenangebot reichte von knallbunten Instantnudelpackungen über Handykarten zu Lao-Lao-Reiswhiskey. Gesichter beäugten Jake, Gesichter mit leicht mongolischem Einschlag, ausdruckslos und doch fragend, desinteressiert und zugleich neugierig. Männer in schäbigen Anoraks deuteten und schüttelten den Kopf; zwei verzogen die miene. Es gab nicht viele Westler, die sich auf das unwirtliche Plateau verirrten. Das war hier nicht Vang Vieng, das war eine vollkommen andere, sehr fremde Welt.
    Sie fuhren wieder in die nächtlich schwarze Landschaft hinaus.
    »Die Chinesen waren nicht ganz unbeteiligt an dem, was hier passiert ist. Während der Schreckensherrschaft der Roten Khmer.«
    Jake war froh, zum Kern der Sache zu kommen.
    »Und was ist hier genau passiert?«
    »Da sind wir noch nicht ganz sicher. Jedenfalls erteilte Pol Pot 1976 einen Befehl – das ist der berüchtigte Rote-Khmer-Führer …«
    »Ich weiß, wer Pol Pot ist, Chemda«, schnitt ihr Jake verärgert das Wort ab. »War das nicht dieser beliebte Wetteransager im Frühstücksfernsehen?«
    Zum ersten Mal, seit er sich am Morgen mit ihr getroffen hatte, lachte Chemda richtig; mit ihren ebenmäßigen weißen Zähnen, die dabei zum Vorschein kamen, und ihren heiter blitzenden Augen war ihr sonst so ernstes Gesicht wie verwandelt.
    »Entschuldige. Das war wirklich ein wenig daneben. Mein Professor an der UCLA hat mal gesagt, ich hätte ›etwas schulmeisterhafte Züge‹. Und?« Sie sah ihn aus ihren braunen Augen fragend an. »Habe ich etwas schulmeisterhafte Züge?«
    »Na ja. Schon. Ein bisschen zumindest.«
    Schweigen. Der Fahrer öffnete das Fenster und spuckte. Die hereinströmende Kälte war unangenehm beißend. Fröstelnd wünschte sich Jake, er hätte eine ordentliche Jacke eingepackt. Alles, was er in seinem Rucksack dabeihatte, war ein Regenschutz. Niemand hatte ihm gesagt, dass er sich warm anziehen müsste.
    Vielleicht wärmte ihn ein Gespräch.
    »Du wolltest mir eigentlich von einem Befehl Pol Pots erzählen, Chemda.«
    Sie starrte in das Dunkel hinaus, auf die immer noch von tödlichen Bomben übersäte Hochebene. Schließlich drehte sie sich zu ihm.
    »Entschuldige bitte. Ich war gerade in Gedanken ganz woanders. Also, wir wissen, dass die Roten Khmer und die Pathet Lao und das maoistische China, dass sie 1976 alle eine Expedition hierhergeschickt haben, in die, ähm, Ebene der Tonkrüge. Eine Gruppe von Historikern, Wissenschaftlern und sonstigen Fachleuten, die etwas über die neolithischen Überreste hier wussten. Und dann zwangen sie die Einheimischen, das ganze Gebiet zu durchkämmen – trotz der lebensgefährlichen Uxo.«
    »Meinst du damit die ganzen Blindgänger, die unexploded ordnance , wie es im offiziellen Sprachgebrauch heißt?«
    »Ja. Bei dieser Suche sind Hunderte von Menschen ums Leben gekommen. Den Roten Khmer war das völlig egal – den Chinesen übrigens auch. Im Gesamtzusammenhang betrachtet …« Ihr Blick suchte den Jakes und fand ihn. »Im Gesamtzusammenhang betrachtet, war die Zahl der opfer relativ gering. Nur ein paar hundert Tote. Um die tausend Verletzte. Was ist das schon im Vergleich mit zwei Millionen Toten?« Sie schüttelte den Kopf. »Aber was sie damals finden wollten, ist weiterhin ein Rätsel, und es war kaltblütiger Mord. Pol Pot, Ieng Sary und Ta Mok, der Schlächter, die ganze RoteKhmer-Führung, sie waren, ja, sie waren richtig versessen auf dieses Projekt, und die Chinesen genauso. Obwohl sie kein Geld hatten, gaben sie im Sommer sechsundsiebzig Unsummen dafür aus, die Ebene der Tonkrüge absuchen zu lassen. Weshalb, ist bis heute unklar.«
    »Und die Historiker?«
    »Die meisten Akademiker unter den Expeditionsmitgliedern fielen später Pol Pots Säuberungen zum Opfer. Sie wurden in Chœung Ek, einem der berüchtigten Killing Fields, ermordet. Zwei haben jedoch überlebt. Ich habe sie

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