Biest: Thriller (German Edition)
Forest«, sagte er ohne den Hauch eines Schenkelklopfers und hielt ihr den Schlag auf. Solveigh stieg ein, er schmiss die Tür hinter ihr ins Schloss. Das graue Polster roch nach scharfem Reinigungsmittel und etwas säuerlich, als hätte sich jemand vor nicht allzu langer Zeit in dem Auto übergeben. Solveigh strich etwas Kampferpaste auf die Oberlippe, bevor Wayne neben ihr Platz genommen hatte und etwas davon mitbekommen konnte. Er startete den Wagen und fuhr an wie nach einem Reifenwechsel bei einem Formel-1-Rennen, seine Hinterreifen mussten einen kurzen schwarzen Streifen auf dem Asphalt vor dem Flughafen hinterlassen haben. Als er sich im Kreisverkehr Richtung M4, London, einfädelte, begann er mit den unvermeidlichen Fragen, auf die Solveigh seit Minuten wartete. Immer, wenn sie die Hilfe lokaler Behörden benötigten, waren es dieselben Fragen, aber Solveigh konnte sie mittlerweile beantworten, ohne sich konzentrieren zu müssen. Sie dachte stattdessen an die Bilder, die das Computersystem nach der Einschränkung von den Londoner Kameras ausgespuckt hatte. Vier Stück insgesamt, davon drei vom Flughafen. Das Biest in der Ankunftshalle von einem innereuropäischen Flug, das Biest vor einer teueren Boutique, das Biest an der Curb Side, der Vorfahrt, wo Wayne auch Solveigh aufgelesen hatte. Sie ratterte ihre Erklärung über die offizielle Anfrage zur Zusammenarbeit aus dem Innenministerium herunter und dass sie selbstverständlich keine Intention hatten, Wayne seine Erfolge streitig zu machen, während an den Fenstern sattes Grün an ihr vorbeiflog. Sherwood fuhr schnell und wechselte öfter die Spur, als es sinnvoll sein konnte.
»Sie jagen also ein Phantom? Ausgerechnet in meinem Kiez?«
Der Grund, warum die ECSB gerade Wayne angefordert hatte, lag im vierten Foto begründet, das von einer Kamera in der Londoner Innenstadt aufgenommen worden war. Es war nicht besonders scharf, aber es zeigte neben dem Biest noch einen weiteren Mann, den Solveigh bereits kannte: den Killer aus Berlin, den der Deutsche umgebracht hatte. Es war drei Monate alt, und der Mann trug einen langen Mantel aus hellem Stoff, aber es handelte sich unverkennbar um die gleichen Gesichtszüge mit den auffällig hervortretenden Augen. Solveigh dachte an seine weiße, frei liegende Halswirbelsäule und den See aus dunklem Blut.
»Gewissermaßen«, antwortete sie schließlich. »Wir wissen, dass er Russe ist und vermutlich einen amerikanischen Akzent hat. Allerdings kennen wir seine momentane Identität nicht. Keine Adresse. Weder Firma noch privat.« Das Foto war am Canary Wharf aufgenommen worden, und die ECSB hatte bei der Met einen langjährigen Kenner des Viertels angefordert, einen Insider, der die reiche Gegend mit den Hochhäusern, den Banken und den Luxusapartments wie seine Westentasche kannte. Deshalb hatte die Londoner Polizei Wayne Sherwood geschickt.
»Na ja«, antwortete der Mann, den Solveigh eher bei der Sitte in den frühen Achtzigerjahren eingeordnet hätte als ausgerechnet in einem der profiliertesten Viertel der Stadt. »Das dürfte nicht ganz einfach werden.«
Solveigh hob eine Augenbraue.
»Wir nennen die Wharf auch Londongrad, wissen Sie? Mehr Russen als in einem verdammten Gulag.« Er lachte über seinen eigenen Witz, und Solveigh revidierte ihre Einschätzung über sein Schenkelklopfer-Potenzial. »Einer von den neureichen Schnöseln?«
Solveigh nickte: »Einer aus der ganz frühen ersten Garde nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Aus der Jelzin-Ära. Geld wie Heu.«
Er wechselte wieder die Spur: »Auch das wird uns hier kaum helfen. Geld haben die Russen in der Wharf alle. Obwohl, wer weiß …?«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Solveigh neugierig.
»Warten Sie es ab. Wir sind gleich da. Und in der Zwischenzeit verraten Sie mir, ob ich das bin oder mein Auto«. Er roch an seinem blauen Pullunder.
Vielleicht doch kein so schlechter Bulle, dachte Solveigh und lachte: »Nein, der Wagen. Keine Sorge. Sie haben das bemerkt?«
»Einer von den verdammten Bankern. Spielen sich auf wie Graf Zahl, vertragen aber überhaupt nichts. Wahrscheinlich hatte er auch noch ’ne Tonne Koks drin, als er mir in den Wagen gekotzt hat. Dafür hat er am Ende rausgerückt, was ich wissen wollte. Ich würde sagen, es hat sich gelohnt, auch wenn die Karre wahrscheinlich noch ein halbes Jahr stinkt. Sie gewöhnen sich daran, versprochen.«
Zwanzig Minuten später erreichten sie den zweiten Finanzplatz Londons, von dem Solveigh
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