Big Sky Country - Das weite Land (German Edition)
angespannte Schweigen zwischen Slade und Hutch.
Joslyn musste sich selbst ins Gedächtnis rufen, dass die beiden erwachsene Männer und sie selbst weder ihre Aufpasserin noch eine Hobby-Schiedsrichterin war.
Rasch lief sie ins Haus, um sich eine Tasse Kaffee zu holen.
Hutchs Küche war altmodisch eingerichtet, mit dunklen Schränken und ebensolchem Boden. Die modernen Geräte aus glänzendem Edelstahl allerdings waren vermutlich moderne Sonderanfertigungen.
An einer Wand befand sich ein großer offener Kamin – bestimmt sehr gemütlich an einem eisigen Wintermorgen, besonders in Montana –, dennoch wirkte der Raum merkwürdig unbewohnt. Er hatte die Atmosphäre einer Musterküche in irgendeinem Möbelhaus. Alles war sauber und hübsch eingerichtet, aber es wurde nicht wirklich darin gelebt.
Du brauchst diesen Kaffee wirklich, dachte Joslyn und schüttelte das Gefühl der Einsamkeit ab, das sie beim Betreten von Hutch Carmodys Haus sofort beschlichen hatte.
Sie entdeckte die Kaffeemaschine, nahm sich – da sie etwas Unzerbrechliches wollte – einen Plastikbecher und schenkte sich eine Dosis Koffein ein. Da es keinen Süßstoff gab – zumindest war nirgends etwas Ähnliches zu entdecken –, tat sie sich einen kleinen Löffel Zucker aus der Dose auf der Anrichte hinein und rührte kurz um. Dann marschierte sie, an ihrem Becher nippend, wieder hinaus in den Hof.
Slade musste in den Stall gegangen sein, denn er war nirgends mehr zu sehen. Hutch stand immer noch an derselben Stelle wie vorhin und unterhielt sich leise mit einem der Rancharbeiter.
Als Joslyn zu ihnen schlenderte, lief der Arbeiter zu einem der zahlreichen Ranch-Trucks und stieg ein.
Hutch hatte die Hände in die Hüften gestemmt und grinste ihr entgegen. Genau wie Slade war auch er schlank, aber muskulöser. Zu Joslyns großer Erleichterung schien er jetzt wieder gut gelaunt und sich wohl in seiner Haut zu fühlen.
Das war der Hutch, den sie kannte. Sie nickte ihm zu und begann, in Richtung Stall zu gehen. Er begleitete sie.
„Diese Palomino-Stute“, sagte er, „ist ein wirklich schönes Pferd.“
„Ja.“ Joslyn blieb in der Stalltür stehen, damit sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnen konnten. „Das ist sie.“
„Und sie gehört, wenn ich es richtig verstehe, dir?“
Worauf wollte er hinaus?
Joslyn legte ihren Kopf schief und sah zu ihm hinauf. „Eigentlich nicht. Ich habe es dir gestern schon erklärt, Hutch. Slade hat Sundance gekauft. Ich leihe sie mir gewissermaßen nur aus.“
Jetzt entdeckte sie Slade und Shea, die im Gang zwischen den Boxen gerade Chessie sattelten. Neben ihnen stand einer von Hutchs Rancharbeitern, der ihnen offenbar den Sattel und das Zaumzeug gebracht hatte.
„Sie ist mein Pferd!“, begehrte Shea auf. „ Ich will sie reiten.“
Slades Gesichtsausdruck war streng, seine Kinnpartie wirkte wie aus Granit gemeißelt. „Sorry“, erwiderte er knapp. „Kommt nicht infrage.“
Hutch und Joslyn machten einen Schritt zur Seite, damit Slade die Stute hinaus in die Sonne und die warme Morgenluft führen konnte.
„Aber Dad!“ Shea rannte hinter ihm her. „Chessie ist mein Pferd!“
„Dein Dad hat recht“, schaltete Hutch sich zur Überraschung aller ein. „Man kann vorher unmöglich wissen, ob dieses Pferd schon eingeritten ist. Du möchtest dich doch nicht verletzen, oder?“
Seufzend schüttelte Shea den Kopf.
Slade nickte. Dabei schaute er so düster drein, als würde es ihm regelrecht Schmerzen bereiten, dass er Hutch zustimmen musste.
Draußen blieb Slade kurz neben der Stute stehen, strich ihr über den Hals und redete leise auf sie ein. Joslyn konnte nicht genau verstehen, was er sagte, doch es hörte sich beruhigend an.
Er nahm die Zügel locker in die Hand, setzte einen Fuß in den linken Steigbügel und schwang sich elegant auf Chessies Rücken.
Die Stute schnaubte. Die Muskeln ihres glänzenden Rumpfs zitterten, als würde sie gleich zu buckeln anfangen. Im nächsten Moment hatte sie sich jedoch wieder beruhigt.
Slade reiten zu sehen, weckte in Joslyn ein völlig neues, ihr bisher unbekanntes Gefühl. Es war so etwas Ähnliches wie Bewunderung und doch etwas völlig Eigenes. Zusammen waren dieser Mann und das Pferd wie ein einziges, prächtiges Lebewesen. Der Anblick war einfach atemberaubend.
Sogar Shea, die eben noch sauer gewesen war, schaute mit großen Augen und offenem Mund zu.
„Es liegt ihm im Blut“, meinte Hutch neben Joslyn, als er sah, mit welch
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